Foto: ÖDP Bayern.

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2.000 Teilnehmer bei Demo für Agrarwende in Passau

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Die eindrucksvolle „Wir haben es satt“-Demonstration gegen Glyphosat und Massentierhaltung in Passau zeigt, dass die CSU sich endlich für eine Wende in der Agrarpolitik öffnen muss: „Die Politik muss eine faire und ehrliche Partnerschaft mit der bäuerlichen, nicht-industrialisierten Landwirtschaft ermöglichen. Faire Regeln statt Wachsen oder Weichen“, forderte die kommissarische Bundesvorsitzende Agnes Becker.

Becker: „Wir kämpfen für eine Neuausrichtung der Agrarpolitik!

2.000 Menschen demonstrierten dafür Ende Januar in Passau vor dem Neujahrsempfang der CSU, bei dem der designierte Ministerpräsident Söder sprach. Im Vorfeld kam es zu einem heftigen Wortgefecht. Der örtliche CSU-Vorsitzende Putzke wollte die Übergabe eines agrarpolitischen Positionspapiers an Söder verhindern, weil er in den Demonstranten nur „Störer der CSU-Veranstaltung, bei der Ehrenamtliche geehrt werden“ sehen konnte. Der Kreisobmann des Bauernverbandes Hans Koller sprach sogar von zweifelhaften Organisationen, die die Demo organisiert hätten. Natur- und Umweltschutzverbände, Verbraucherorganisationen, kirchliche Verbände und ökologische Anbauverbände sowie die ÖDP und die Grünen hatten die Demo unterstützt. Koller stellte das Veranstalter-Bündnis sogar in die Nähe von „Organisationen, die beispielsweise für Stalleinbrüche verantwortlich sind und vor kriminellen Handlungen nicht zurückschrecken“. Absurder hätte die Gegenposition des Bauernverbandes nicht formuliert werden können. Die Strategie ging, wie nicht anders zu erwarten, nach hinten los und motivierte erst recht viele Menschen, auch viele Landwirte, sich an der Demo zu beteiligen. Neben zahlreichen ÖDP-Mitgliedern aus ganz Bayern nahm auch Landesvorstandsmitglied Sebastian Högen aus Sachsen teil.
Für die ÖDP sprach bei der Demo die kommissarische Bundesvorsitzende Agnes Becker, die die unethischen Zustände in der Tierhaltung anprangerte. Die Agrarpolitik sei ein zentrales Thema im Meinungswettstreit bis zur Landtagswahl, erklärte Becker.

 


Die kommissarische ÖDP-Vorsitzende Agnes Becker und Bundesvorstandsmitglied Urban Mangold an der Spitze eines beeindruckenden Demonstrationszuges. Foto: ÖDP Bayern.

Die Rede von Agnes Becker im Wortlaut:

Sehr geehrte Damen und Herren,

herzlichen Dank für Ihr Kommen! Ich bin stolz, hier heute mit Ihnen stehen zu dürfen!
Hier demonstriert nicht die wilde Horde, die der örtliche CSU-Vorsitzende Putzke vom Neujahrsempfang und vom designierten Ministerpräsidenten Söder fernhalten muss, damit wir nicht die Ehrung der Ehrenamtlichen stören. Hier demonstrieren friedliche Menschen aus allen Gesellschaftsschichten gemeinsam mit aktiven Bauern gegen eine Landwirtschaftspolitik, die wir satt haben. Übrigens, Herr Prof. Dr. Putzke, wir tun das auch EHRENAMTLICH! Wenn Sie also noch jemanden für eine Ehrung suchen, wir wären jetzt da … Dem vermeintlichen „Oberbauern“ und Bauernverbandsfunktionär Koller sei gesagt: Sie vertreten nicht die Bauern, sie vertreten deren Untergang. Über Jahrzehnte war die einhellige Botschaft von Bauernverband und CSU an die Landwirte: Wachse oder weiche! Wenn einer wächst, müssen andere weichen. Und zigtausende Bauern sind in den letzten Jahren gewichen. Verschwunden. Haben für immer die Stalltür zugemacht. Gratulation! Ein solches Höfesterben hat Bayern noch nicht erlebt. Die Überlebenden werden zu immer mehr Leistung um jeden Preis gezwungen, sollen für den Weltmarkt produzieren, immer größere Höfe bewirtschaften und billigst arbeiten. Diese Entwicklung hat viele furchtbare Folgen, auch für die Bauern selbst. Wo lebendige Wesen im Spiel sind, ist sie eine echte Tragödie. Als gelernte Tierärztin will ich, muss ich, über Tierschutz sprechen. Bewusst nicht über Tierwohl, denn dieses Wort hat der Landwirtschaftsminister Schmidt im Mund und damit hat es jeden ernst zu nehmenden Inhalt verloren. Ich will Sie mit einem Begriff vertraut machen, den vielleicht einige noch nicht kennen. Der Begriff der Technopathie. Er umfasst Krankheiten, Verletzungen und andere Schäden bei landwirtschaftlichen Nutztieren, die direkt oder indirekt durch die Haltungsbedingungen verursacht werden. Das bekommt man im Tiermedizinstudium beigebracht. Am Beispiel Schwein will ich zeigen, was das bedeutet. Und damit niemand sagt, ich hätte mir das ausgedacht, beziehe ich mich auf eine Studie der Ludwig-Maximilians-Universität München aus dem Jahr 2016. Diese Studie stellt nach allen Regeln der wissenschaftlichen Kunst fest: 91,8 % der Mastschweine aus konventioneller Haltung zeigen zum Schlachtzeitpunkt Lahmheiten und erhebliche krankhafte Veränderungen an den Gliedmaßen. Bei gut der Hälfte der Tiere sind die Schäden mittel- bis hochgradig. Nur nochmal die Zahl: 91,8 %! Und das sind junge Tiere mit rund 6 Monaten! Das wäre in etwa vergleichbar mit einer Abiturklasse voller junger Erwachsener und 91,8 % der Abiturienten könnten nicht schmerzfrei laufen. Stellen Sie sich das vor. Man würde Schuldirektor, Kultusminister und wahrscheinlich noch einige andere lynchen.
Ich will Tiere nicht mit Menschen gleichsetzen, aber so fern ist uns die Sau nicht. Und es braucht auch nicht allzu viel Vorstellungsvermögen: Leben Sie mal 6 Monate lang auf Betonvollspaltenboden, ich verspreche Ihnen, neben Depressionen bekommen Sie auch Schäden am Fahrgestell. Übrigens bei der Vergleichsgruppe von Ökoschweinen zeigten nur 13,8 % Veränderungen, allesamt geringgradig. Was also läuft falsch?
Tiere werden zurechtgestutzt, damit sie in die arbeitsökonomisch optimierten „Ställe“ hineinpassen. Es werden Hörner entfernt, Schwänze abgeschnitten, Schnäbel gekürzt, Zähne abgezwickt. Alle diese Verstümmelungen dienen ausschließlich dem Zweck, noch mehr Tiere auf noch kleinerem Raum zu halten. Und die Gesetze erlauben das! Tiere erleiden Schmerzen und Leiden durch die Bedingungen, in denen sie leben müssen. Wie ausgequetschte Zitronen werden sie nach Gebrauch entsorgt.

Wir stehen hier und demonstrieren genau dagegen. Wir demonstrieren gegen eine Tierhaltung, die Tiere zu Krüppeln macht! Wir demonstrieren gegen eine Politik, die das erlaubt, achselzuckend Fakten ignoriert und jede Verantwortung auf Verbraucher und Bauern abschiebt. Die Aufgabe von Politik ist es, klare Regeln für alle vorzugeben, die wirksam Tierleid verhindern. So steht es im Grundgesetz. Handelt endlich danach. Denn so, wie es jetzt läuft, haben wir es satt!