Christoph Raabs bei seiner Rede am 55. Bundesparteitag Foto: Bundespressestelle.

Bundesverband

An alle Mitglieder

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Liebe ÖDP-Mitglieder, liebe Freundinnen und Freunde,

hinter uns liegt ein wahrlich heißer Oktober. Nicht nur das Wetter hielt hohe Temperaturen parat, auch die Wahlkämpfe in Bayern und Hessen, sowie die daraufhin erfolgten Reaktionen in Berlin, trieben vielen von uns die Schweißperlen auf die Stirn.

Ich möchte auch an dieser Stelle noch einmal den aktiven Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfern in Bayern und Hessen für die herausragende Arbeit der letzten Wochen danken. Euer aller Einsatz hätte in der Tat weitaus bessere Wahlergebnisse verdient, als jene, die nun in den Büchern stehen. Ich weiß, dass es vielerorts gelungen ist, durch Überzeugungsarbeit am Infostand, durch gute Auftritte in Podiumsdiskussionen und durch insgesamt sympathisches und authentisches Argumentieren den ein oder anderen Wähler auf unsere Seite zu ziehen. Allerdings müssen wir nun unter dem Strich feststellen, dass es für einen nennenswerten Schritt nach vorne nicht ausreicht, jede Wählerin und jeden Wähler einzeln von unserer Sache begeistern zu wollen.

Als politische Partei mit einem Vollprogramm, und dem daraus abgeleiteten Anspruch, für breite Schichten der Bevölkerung eine wählbare Alternative anbieten zu wollen, können wir mit 1,6 % in Bayern und 0,3 % in Hessen nicht zufrieden sein. Unser Europaabgeordneter Klaus Buchner hat in seiner Rede in Bingen davon gesprochen, dass für eine Verteidigung des Mandates im kommenden Jahr etwa 300.000 Wähler nötig sein werden. Damit liegt die Messlatte für einen Wahlerfolg der ÖDP bei der Europawahl sehr hoch.

Der Bundesvorstand befasst sich bereits seit einigen Wochen mit der Vorbereitung des EU-Wahlkampfes. Zu diesem Zweck wurden mehrere Arbeitsgruppen gebildet, die sich u.a. mit Social Media, Layout, Radio- und Fernsehwerbung, und natürlich mit Strategieüberlegungen befassen. Einig sind sich die handelnden Personen darin, dass wir im kommenden Jahr etwas anderes versuchen müssen, als in den letzten Jahrzehnten. Es muss uns diesmal gelingen, den Kern der ÖDP herauszuarbeiten und an die Bürgerinnen und Bürger zu transportieren. Der Wahlkampf muss den Gesetzen der Werbung folgen, die seit Langem verstärkt auf die Erzeugung eines Images setzt, und weniger auf die Vermittlung von Daten und Fakten. Unsere Überlegung daher: Über starke Gefühle in den Bauch, nicht mit Programmzitaten in den Kopf!

Dass wir mit diesem Ansatz anscheinend richtig liegen, beweist gerade auch die Diskussion um Merkels Nachfolge in Berlin. So wird gemutmaßt, in welche Richtung der/die neue Vorsitzende denn die CDU bewegen könnte. Da ist viel von rechten und linken Flügeln, von wertkonservativ, liberal, wirtschaftsfreundlich, modern etc. die Rede. Und es ist nichts zu hören von Programmlagen, Beschlüssen oder Gesetzesvorlagen. Die CDU sucht ihren Platz im Parteiengefüge, so wie dies auch die SPD mit wachsender Verzweiflung tut. Und auch die ÖDP wird sich einsortieren müssen, ob uns das gefällt oder nicht. Unser EU-Programm für 2019 ist umfassend und ausgewogen. Es bildet damit eine gute Grundlage für einen Wahlerfolg. Entscheidend wird aber sein, unter welchem Blickwinkel, und mit welcher großen Klammer wir die Partei mit ihrem Programm nach außen hin darstellen können.

Es muss uns gelingen, die Wachstumskritik als unseren Markenkern so zu präsentieren, dass sichtbar wird, wie sehr sich die Lebensqualität jedes Einzelnen verbessern könnte. Viele Menschen in ganz Europa haben erkannt, dass sich nicht nur das Klima überhitzt, sondern auch unser gesamtes gesellschaftliches Leben. Am Ende bleiben ausgebrannte Seelen und gefühlte Leere inmitten des Überflusses. Hier unsere Stimme hörbar zu machen, mit der Forderung, das richtige Maß wieder zu finden, sehe ich als eine, vielleicht als unsere einzige Chance. Ich glaube, diese Ansprache werden viele Wählerinnen und Wähler ohne lange Erklärungen verstehen.

Es grüßt Sie herzlich

Christoph Raabs