Landwirtschaft & Ernährung

EU: Stand der Gemeinsamen Agrarpolitik

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Schock und Enttäuschung waren groß, als sich vor einigen Wochen der EU-Agrarministerrat und die Mehrheit im EU-Parlament für eine verheerende, rückwärtsgewandte Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) aussprachen. Doch diese Entscheidungen blieben nicht ohne Widerstand und auch die EU-Kommission versprach, diese GAP entsprechend der Ziele des sogenannten „European Green Deals“ zu gestalten.

von Manuela Ripa, MdEP

 

Der erhoffte Systemwechsel in der europäischen Agrarpolitik ist vorerst ausgeblieben. Als sich der EU-Ministerrat und die Mehrheit des EU-Parlaments für eine rückwärtsgewandte, klima- und umweltschädliche Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) in der Europäischen Union ausgesprochen haben, waren Schrecken und Enttäuschung groß: Trotz massiver Kritik aus der Wissenschaft, von Umwelt- und Klimaaktivistinnen und -aktivisten, Umweltorganisationen, EU-Abgeordneten und der Zivilgesellschaft, legten sich die EU-Agrarministerinnen und -minister sowie die Mehrheit des Parlaments auf eine GAP fest, die mit dem sogenannten „European Green Deal“ nichts zu tun hat. Neben Debatten um die korrekte Bezeichnung von Veggie-Burgern wurde der größte alleinstehende Betrag des EU-Haushalts, insgesamt knapp 390 Mrd. Euro, zum Großteil einer Weiter-wie-immer-Landwirtschaft verschrieben. Einer Landwirtschaft, die immerhin für gut 14% der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich ist.

Von diesen 390 Mrd. Euro werden, wie schon zuvor, zwei Drittel rein anhand der zu bewirtschaftenden Fläche an die Landbesitzer verteilt – ohne an irgendwelche Umweltauflagen gebunden zu sein. Somit zementieren Rat und Parlament den Status Quo, mit dem 20% der Landwirte von 80% der Direktzahlungen profitieren. Insbesondere in der großen, industriellen Landwirtschaft werden so klima- und umweltschädliche Praktiken wie Monokulturen und der massive Einsatz von Pestiziden unterstützt, während kleine und mittlere bäuerliche Betriebe unfair benachteiligt und an den Rand der Existenz gedrückt werden. Darüber hinaus gibt eine solche Subventionspolitik Anreize für den Erhalt der Massentierhaltung und allen damit für das Tier- und Menschenwohl verbundenen Schäden. In anderen Worten, finanzieren die europäischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler eine Agrarpolitik, die nicht nur die Klimaziele aufs Spiel setzt und zum weiteren Verfall der Biodiversität beiträgt, sondern beispielsweise durch die Verbreitung multiresistenter Keime auch die öffentliche Gesundheit gefährdet.

Die angepriesenen Eco-Schemes, also die im Budget festgesetzten Anteile für Umweltleistungen der Agrarwirtschaft, werden mit nur 20% (Position des EU-Agrarministerrats) bzw. 30% (mehrheitliche Position des EU-Parlaments) bedacht und können somit kaum eine Kehrtwende bringen. Zumal der Einsatz dieser Gelder für die Landwirte freiwillig ist. Das ist kein erster Schritt, sondern ein auf der Stelle stehen.

Nur EU-Kommission kann den Green Deal retten

Entschieden über die endgültige Fassung der GAP, die dann auch 2023 in Kraft tritt, wird im Trilog zwischen dem EU-Rat, dem EU-Parlament und der EU-Kommission. Sowohl Rat als auch Parlament gehen mit erschreckend rückwärtsgewandten Positionen in die Verhandlung. Dementsprechend liegt es nun an der EU-Kommission, zu ihrem Versprechen zu stehen und den Green Deal zu retten.

Ende Oktober habe ich daraufhin mit 41 weiteren MdEPs einen Brief an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen geschrieben, mit der Aufforderung, diese GAP zurückzuziehen. Der Brief hat eindringlich daran erinnert, dass durch diese GAP, die die Ziele der Farm-to-Fork- sowie der Biodiversitäts-Strategie außen vorlässt, den gesamten Green Deal in Gefahr bringt – und damit die übergeordnete Strategie dieser EU-Kommission. Auch hat das Schreiben daran erinnert, dass es nun an der Kommission liegt, den Green Deal zu retten und mehr Öko-Landbau mit weniger Pestiziden für die EU sicherzustellen.

In ihrem Antwortschreiben an das EU-Parlament hat von der Leyen ein Zurückziehen des GAP-Vorschlags leider klar ausgeschlossen. Sie gab jedoch zu, dass die Ziele der European-Green-Deal-Strategie nicht eingehalten werden und dass es hier nachzubessern gilt. Bei diesem Versprechen werde ich und werden auch all jene EU-Abgeordnete, die gegen diese verheerende GAP gestimmt haben, der Kommission genau auf die Finger schauen. Diese GAP entscheidet über unsere Zukunft, entscheidet, ob wir unsere ambitionierten Klimaziele erreichen können und ob wir noch mehr lebenswichtige Biodiversität verlieren. Weiteres Greenwashing seitens der Kommission hätte verheerende Folgen.

Widerstand regt sich auch innerhalb der Kommission

Den Ernst dieser Lage hat allem Anschein nach auch Frans Timmermans verstanden, Vize-Präsident der EU-Kommission und verantwortlich für den Green Deal. Er sichert zu, dass die Kommission in den GAP-Verhandlungen eine ehrliche Vermittlerin“ sein werde, machte aber auch aus seiner Enttäuschung über die Positionen von Rat und Parlament keinen Hehl. In einem Interview schloss Timmermans die Möglichkeit nicht aus, die GAP zurückzuziehen, sollte sie den Zielen des Green Deals nicht gerecht werden. In einer weiteren Klarstellung äußerte sich dann ein Pressesprecher der Kommission, dass die GAP zwar noch nicht den Klima- und Umweltschutzambitionen der EU entspreche, die Kommission aber überzeugt sei, dass die GAP letztlich doch liefern könne. Ein kompletter Rückzug der GAP ist demnach nicht zu erwarten, bleibt jedoch als letztes Mittel auch nicht ausgeschlossen.

Derweil hat meine Fraktion „Die Grünen/EFA“ auf den Brief von der Leyens geantwortet und betont, dass keinerlei institutionelle Konsistenz Vorrang vor den dramatischen Klima- und Umweltschäden haben sollte. Der Brief begrüßt die Position von Timmermans und erinnert auch daran, dass die GAP erst 2023 in Kraft treten soll – und somit genügend Zeit für Verhandlungen für jenen fairen und nachhaltigen Agrarsektor lässt, den die EU-Bürgerinnen und -Bürgern fordern.

Wie die nächste GAP aussehen wird, liegt nun also vor allem an dem Verhandlungsgeschick der EU-Kommission. Wir werden das Geschehen nicht aus dem Auge lassen und uns unermüdlich für eine europäische Agrarpolitik einsetzen, die Profite nicht vor Menschen und Umwelt stellt.