Pressekonferenz der Trägerorganisation (v.l.): Agnes Becker (ÖDP), Dr. Norbert Schäffer (LBV), Ludwig Hartmann (Grüne) und Martin Geilhufe (Bund Naturschutz) Foto: Kurz/Mantaoglu

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18,4 % – die ÖDP jubelt über das erfolgreichste Volksbegehren

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Der „historische Erfolg“ des ÖDP-Volksbegehrens „Artenvielfalt – Rettet die Bienen“ markiert nach Ansicht der Volksbegehren-Initiatorin Agnes Becker (ÖDP) einen „nicht mehr zurückdrehbaren Wendepunkt der bayerischen Umweltpolitik“: „Ab jetzt gibt es in Bayern ein neues Kräfteverhältnis zwischen der industrialisierten Landwirtschaft und den Befürwortern von Artenschutz, Naturschönheit und bäuerlicher Landwirtschaft. Die Bedeutung des Naturschutzes hat sich in den Wochen des Volksbegehrens vollkommen gewandelt. Das kann man gar nicht hoch genug einschätzen.“

Auch der in Folge des Volksbegehrens von Ministerpräsident Markus Söder einberufene runde Tisch wird nicht mehr dahinter zurückkönnen. „Dem Gespräch werden wir uns nicht verweigern. Aber die Wirkung unseres Gesetzentwurfs ist die untere Messlatte dafür. Weniger Artenschutz wird mit uns nicht zu haben sein“, kündigt Volksbegehren-Beauftragte Agnes Becker an.

Nach Ansicht des ÖDP-Landesvorsitzenden Klaus Mrasek muss das „erfolgreichste Volksbegehren seit 1946 auch Auswirkungen auf die anstehende Neuverhandlung der EU-Agrarförderpolitik haben“. Das Volksbegehren sei ein klares Signal an die kleinen und mittleren landwirtschaftlichen Betriebe, denen eine neue Gesetzgebung viele Chancen bietet. In den vergangenen zehn Jahren hat Bayern im Zuge der Intensivierung der Landwirtschaft in einem dramatischen Ausmaß Höfe verloren. Es sei zu befürchten, dass sich diese Entwicklung fortsetzt. Das Volksbegehren wird dies aufhalten, indem es einen gesetzlichen Rahmen zur Förderung kleiner und mittlerer bäuerlicher Betriebe bietet.

Den Gesetzentwurf hierfür haben der frühere ÖDP-Landesvorsitzende Bernhard Suttner, der Münchner ÖDP-Stadtrat und Gewässer-Ökologe Tobias Ruff, der stellvertretende ÖDP-Landrat und Förster Arnold Kimmerl und Biologin Dr. Maiken Winter mit weiteren Fachleuten erarbeitet. Er ist nicht nur fachlich wirksam, sondern auch so unangreifbar, dass er die extrem genaue juristische Zulassungsüberprüfung durch das Innenministerium ohne Beanstandung überstand. Ein Kampagnenbüro in München, geleitet von Mitinitiator Thomas Prudlo und Nikolaus Teixeira mit den Mitarbeiterinnen Anastasia Kühn und Almut Schenk, hat das Bündnis mit den Grünen, Landesbund für Vogelschutz, Bund Naturschutz und über 100 weiteren Organisationen koordiniert und mit der ÖDP-Landesgeschäftsstelle die Logistik und Organisation geschultert. Alle haben großartige Arbeit geleistet.

Alle wollen sich eintragen – Riesenandrang auf dem Münchner Marienplatz. Foto: Kurz/Mantaoglu

18,4 % der Wahlberechtigten, insgesamt 1.745.383 Menschen haben sich bis zum letzten Tag in den Rathäusern eingetragen. In sämtlichen 25 kreisfreien Städten und 71 Landkreisen nahm das Volksbegehren die 10-%-Hürde locker. Dies widerlegt auch den Bauernverband, der stets behauptete, das Volksbegehren werde „nur von Städtern unterstützt, die die Leistungen der Bauern für den Naturschutz zu wenig achteten“. Eine klare Fehleinschätzung: Spitzenreiter unter den Landkreisen sind Starnberg (27,7 %), gefolgt von den Landkreisen München (26,5), Fürstenfeldbruck (25,5), Fürth (25,4) und Landsberg (24,8). Die Besten unter den kreisfreien Städten waren Erlangen (24,9), Schwabach (22,7), Bamberg (21,0), Augsburg (20,6), München (20,5) und Nürnberg (19,5 Prozent). Die Eintragungszahlen aller Kreisgebietskörperschaften sind hier zu finden.

„Die bayerische Bienenkönigin“ titelte das Handelsblatt – Agnes Becker mit Bund-Naturschutz-Landeschef Richard Mergner. Foto: Kurz/Mantaoglu
Das historische Ergebnis wurde mit einer Volksbegehren-Party in München gefeiert. Foto: Kurz/Mantaoglu
Agnes Becker, stellvertretende ÖDP-Landesvorsitzende, Initiatorin und offizielle Beauftragte des Volksbegehrens mit dem Grünen-Landtagsfraktionschef Ludwig Hartmann. Foto: Kurz/Mantaoglu
Kampagnenleiter Thomas Prudlo (l.) bei der Wahlparty u.a. mit Schauspielerin Michaela May (3. v. l.) Foto: Kurz/Mantaoglu

 

Die wichtigsten Punkte des ÖDP-Volksbegehren-Gesetzentwurfs:

  • Eine bayernweite Vernetzung von Lebensräumen für Tiere schaffen
  • Strukturreiche Ackersäume, Bäume, kleine Gewässer in der Landschaft erhalten
  • Blühende Randstreifen an allen Bächen und Gräben
  • Die ökologische Landwirtschaft viel stärker ausbauen
  • Zehn Prozent der Wiesen in Blühwiesen umwandeln
  • Eindämmung des Pestizideinsatzes
  • Einschränkung der wachsenden Lichtverschmutzung
  • Naturschutz als bedeutender Teil der landwirtschaftlichen Ausbildung

Die drei Hauptaussagen des Bauernverbandes gegen das Volksbegehren sind klar widerlegt:

1. Der Bauernverband behauptet, dass Förderungen für freiwillige Leistungen wie zum Beispiel Uferrandstreifen wegfallen, wenn diese zur Pflicht werden.

Richtig ist:
Der Staat hat es in der Hand, nach einem erfolgreichen Volksbegehren die Förderregeln anzupassen. Schon jetzt gibt es mehrere Beispiele für staatliche Förderungen trotz gesetzlicher Verpflichtungen. Zum Beispiel ist es trotz bestehender Tierhaltungsverordnungen möglich, tiergerechtere Ställe und Haltungsformen zu fördern. Auch beim Trinkwasserschutz ist es trotz des bestehenden Gesetzes zur Einrichtung von Wasserschutzgebieten möglich, den betroffenen Landwirten Ertragsausfälle und Mehraufwand auszugleichen. Schon diese wenigen Beispiele zeigen, dass die Behauptungen der Bauernverbandsspitze nicht wahr sind.

Gerne hätte die ÖDP als Initiatorin des Volksbegehrens Entschädigungsregelungen in den Gesetzentwurf aufgenommen. Dies hätte jedoch zur Unzulässigkeit der Initiative geführt, weil haushaltsrelevante Volksbegehren rechtlich nicht möglich sind. Es bleibt somit Aufgabe der Staatsregierung und des Landtages, die Entschädigungsprogramme zum Nutzen der Landwirtschaft nach einem erfolgreichen Volksentscheid entsprechend anzupassen.

2. Der Bauernverband behauptet, das Volksbegehren führe zu einem plötzlichen Überangebot von Bio-Lebensmitteln, was für die Anbieter von Bio-Produkten wirtschaftlich nachteilig wäre.

Richtig ist:
Ein Überangebot hat es in den letzten zwei Jahren nur bei der Milch gegeben, weil in kurzer Zeit viele Milchviehhalter wegen der Abschaffung der Milchquote und der niedrigen Preise auf Bio umgestellt hatten. Die Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln steigt aber ständig. In Produktbereichen wie Gemüse ist der Bedarf nicht gedeckt, es muss importiert werden.

3. Der Bauernverband behauptet, dass sich das Volksbegehren nur gegen die Bauern richtet und selbst die als Mitursache des Insektensterbens längst identifizierte Lichtverschmutzung nicht thematisiert wird.

Richtig ist:
Das Volksbegehren will die Artenvielfalt und die bäuerliche Landwirtschaft retten und Gemeinwohlleistungen der Landwirtschaft viel besser fördern als bisher. Das Höfe-Sterben der letzten Jahrzehnte hat bekanntlich nichts mit dem Volksbegehren zu tun, aber sehr viel mit falschen agrarpolitischen Weichenstellungen von CSU und BBV. Und die Lichtverschmutzung, der viele Insekten zum Opfer fallen, wird in der Nähe geschützter Landschaftsbestandteile im Gesetzentwurf des Volksbegehrens klar einschränkend geregelt.