Ökolumne

Globale Handelsabkommen

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In sieben Städten Deutschlands demonstrierten Mitte September insgesamt 320.000 Menschen gegen die geplanten Freihandelsabkommen TTIP (mit den USA), CETA (mit Kanada) und TiSA (zu Dienstleistungen). Beim EU-Kanada-Gipfel Ende Oktober 2016 soll das CETA-Abkommen unterschrieben werden. Wenn das EU-Parlament Anfang 2017 zustimmt, könnte CETA zwei Jahre später angewandt werden. Aus politischen Gründen will die EU auch alle nationalen Parlamente abstimmen lassen. Theoretisch kann also ein einziges nationales Parlament CETA kippen. Gegen CETA reichten mehr als 125.000 Kläger Verfassungsbeschwerde ein. „Nein zu CETA“ ist damit die größte Verfassungsbeschwerde, die es bisher gab.
Im Rahmen des seit 1994 bestehenden NAFTA-Abkommens (zwischen den USA, Mexiko und Kanada) wurden Schiedsstellen für Investorenklagen durchgesetzt, die inzwischen reformiert wurden, da Unternehmen das Abkommen missbrauchten, um unliebsame Gesetze oder Auflagen zu verhindern. Solche umstrittenen privaten Schiedsstellen standen auch zunächst im CETA-Entwurf. Sie wurden nun aber in einen „internationalen Gerichtshof“ umgewandelt, der öffentliche Verfahren durchführen soll. Diese Strukturen sind aber weiterhin eine Paralleljustiz, die gegen das Prinzip der Gewaltenteilung verstößt. Die unabhängige staatliche Rechtsprechung im Wirtschaftsrecht würde den Staaten so weitgehend entzogen werden. Das internationale Wirtschaftsrecht versucht sich damit über das nationale Verfassungsrecht zu stellen. Dies ist grundsätzlich abzulehnen.
Werden soziale, gesundheitliche oder ökologische Standards, Auflagen und Vorschriften nach Abschluss dieser Abkommen weiter verschärft, könnten Unternehmen gegen den Staat klagen. Die Schiedsstellen könnten den Klägern Schadenersatz zusprechen, wenn sich zeigt, dass ihre Gewinnerwartungen wegen angeblich ungerechtfertigter politischer Entscheidungen niedriger ausfallen. Nach Walter Euckens Prinzipien der Wirtschaftspolitik muss aber der Staat auch die Korrektur externer Effekte durchsetzen. Dies ist eines der Grundprinzipien der Sozialen Marktwirtschaft und würde in der Zukunft unmöglich werden. Die Ordnung der Wirtschaft setzt einen starken Staat voraus, der genug Macht besitzt, um bestimmte, genau umschriebene Ordnungsaufgaben zu erfüllen.
Das Vorsorgeprinzip in der EU ist dazu eigentlich besser geeignet als das alleinige Haftungsprinzip wie in den USA. Mit dem Vorsorgeprinzip vermeidet man langfristig unlösbare Zerstörungsprozesse und Sackgassen (z. B. genveränderte Pollen, Atommüll, Klimawandel, Umgang mit gefährlichen Chemikalien, Finanzprodukte, Datenschutz). In CETA ist das Vorsorgeprinzip nicht festgeschrieben worden. Andererseits führen erst Gerichtsklagen und hohe Strafen wie in den USA zu einer wirksamen Beendigung von Korruption und Betrug. Nach dem CETA-Abkommen darf es nur Importe von hormonfreiem Fleisch geben. Kanada baut dafür jetzt eine eigene Produktion auf. Das ist eine positive Entwicklung. Nach dem EU-Vorsorgeprinzip lässt die EU gentechnisch veränderte Organismen im Zweifel nicht zu. Dieses Prinzip hat in CETA aber keinen Einzug gefunden. Die Kennzeichnung von genveränderten Produkten kann dann in der Zukunft mit neuen Technologien unterlaufen werden.
In diesen Handelsabkommen geht es aber nicht allein um den Abbau von Zöllen, sondern auch um Dienstleistungen und öffentliche Aufträge. Dafür wollen die Staaten enger kooperieren. Regulierungsbehörden sollen in Zukunft Gesetze prüfen, bevor sie zur Beschlussfassung ins Parlament gelangen, ob diese mit den Freihandelsabkommen vereinbar sind. Einmal privatisierte Dienstleistungen dürfen nach dem TiSA-Abkommen nicht wieder rekommunalisiert werden. Privatisierungen sind damit unumkehrbar. Die Idee hinter dem globalen Freihandel ist die falsche Außenhandelstheorie von David Ricardo, der meinte, Freihandel würde längerfristig zu allseitigen Wohlstandsgewinnen führen. Dabei ist es aber entscheidend, die ungleichen Rahmenbedingungen zwischen den handelnden Staaten zu berücksichtigen, was nicht geschieht.