Demokratie & Recht

Wie Konzerninteressen politische Entscheidungen bestimmen

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Dank des Einsatzes engagierter Organisationen wie LobbyControl und abgeordnetenwatch.de wissen wir einiges über die engen Verflechtungen von Politik und Wirtschaft. Und darüber, auf welche Weise Branchenverbände und Konzerne die politischen Entscheidungsträger beeinflussen, um ihre Profitinteressen auf Kosten des Gemeinwohls durchzusetzen.

Die Organisation LobbyControl untersuchte vor Kurzem, welche Konzernlobbyisten zu welchen EU-Kommissaren den intensivsten Kontakt pflegen. So waren bei Günther Oettinger, zuständig für den Haushalt, mehr als 80 % seiner über 400 Treffen mit Vertretern der Wirtschaft, insbesondere vom Arbeitgeberverband BusinessEurope, von Google, Airbus und einem Technologieverband –obwohl EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bei seiner Amtseinführung mehr „Ausgewogenheit“ angemahnt hatte. Doch nach wie vor können Nichtregierungsorganisationen für Umweltschutz, Tierschutz oder Arbeitnehmerrechte ihre Anliegen kaum vorbringen. Sehr großen Einfluss hat dagegen der „Europäische Runde Tisch der Industriellen“, dem die Vorsitzenden der rund 50 größten europäischen Konzerne angehören. In einem von diesem im Jahr 2010 veröffentlichten Papier steht, dass er die EU-Kommission führt („guide“). Für die beschriebenen Ziele sind sogar Zeitvorgaben genannt. Einige EU-Kommissare müssen dieser Organisation regelmäßig Berichte schicken.

Freihandelsabkommen

In den Freihandelsabkommen CETA, TTIP und TiSA lässt sich die Handschrift der Wirtschaft erkennen. So soll die sogenannte „regulatorische Kooperation“, die insbesondere bei TTIP Anwendung findet, dazu führen, dass auch nach Vertragsabschluss Standards angeglichen werden können. Was zunächst harmlos klingt, dient den Interessen exportorientierter Großkonzerne. Diese können frühzeitig auf politische Veränderungen Einfluss nehmen und sind damit rechtlich auf der sicheren Seite, weil diese Art der Kooperation im Rechtssetzungsprozess festgeschrieben ist. Insbesondere Standards für Soziales, Kultur, Umweltschutz und Arbeitnehmerrechte sind bedroht. Vorschläge für höhere Standards gelangen voraussichtlich erst gar nicht in den Gesetzgebungsprozess. Bei CETA steht im Vortext: „Die EU und Kanada können im gemischten CETA-Ausschuss beschließen, die Anhänge zu ändern.“ Das heißt: Veränderungen an Verträgen beschließen nicht mehr die Parlamente, sondern ein Ausschuss, dessen Mitglieder nicht demokratisch berufen sind.

Wie LobbyControl recherchierte, sind bei den Freihandelsabkommen folgende Interessensvertreter tonangebend: Canada Europe Roundtable for Business (CERT), Business-Europe, die US-Handelskammer und der Verband der europäischen chemischen Industrie (CEFIC). Gerade bei TTIP tut sich auch noch ein bekannter Chemiekonzern hervor: Monsanto. Er ist das wichtigste Mitglied des Verbands EuropaBio, der ebenfalls mit am Verhandlungstisch sitzt. Dessen Forderungen: Gentechnisch veränderte Produkte sollen nicht gekennzeichnet werden und gentechnisch veränderte Lebensmittel besseren Zugang zum europäischen Markt bekommen. Auch mit indirekter Lobbyarbeit wird Druck auf die Politik ausgeübt: So haben z. B. der Bundesverband der Deutschen Industrie und die Bertelsmann Stiftung massive Werbekampagnen für TTIP finanziert.

Gesetzesformulierungen

Aufgrund des Informationsfreiheitsgesetzes gelangte abgeordnetenwatch.de nach langem und zähem Ringen an einen Vertrag, den im Jahr 2008 das Bundesfinanzministerium mit einer Wirtschaftskanzlei geschlossen hat. Aufgrund der Bankenkrise beschloss der Deutsche Bundestag damals ein 70 Mrd. Euro großes Rettungspaket, das innerhalb weniger Tage durchgepeitscht wurde. Die Expertise dazu kam allerdings nicht nur vom zuständigen Bundesfinanzministerium und dessen Beamtenapparat, sondern von einer Anwaltskanzlei namens Freshfields Bruckhaus Deringer. Diese vertritt die Spitzen der Bankbranche: von der Commerzbank über die Deutsche Bank bis hin zur HSH Nordbank. Ausgerechnet diese Kanzlei also fertigte die Vorlage für das Gesetz an, das ihre Kunden vor der Pleite retten sollte. Von Neutralität oder gar Gemeinwohlorientierung keine Spur. Bezahlen ließ sie ihre 163.744 Euro teure Expertise vom Steuerzahler. Dieses Beispiel zeigt, wie schamlos sich Lobbyisten auf Staatskosten bedienen und wie schwer es ist, Informationen über solche Machenschaften zu bekommen.

Konzernfusionen

Die Konzentration von Marktmacht birgt große Gefahren für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, was man am Beispiel der geplanten Fusion der beiden Chemiekonzerne Bayer und Monsanto beobachten kann. 2015 kamen die beiden Unternehmen auf einen Umsatz von 23,1 Mrd. Dollar. Es entsteht die globale Nummer eins bei Saatgut, Pestiziden und Agrogentechnik. Schlüsselbereiche der Nahrungsmittelkette werden durch sie kontrolliert und Einfluss auf politische Entscheider aufgebaut. Einen Vorgeschmack bietet der CDU-Bundestagsabgeordnete und Agrarpolitische Sprecher seiner Fraktion, Peter Bleser: Laut Greenpeace hat er 2006 eine Patenschaft für Gen-Mais-Felder von Monsanto übernommen. Die Vielfalt der Pflanzensorten wird weiter schrumpfen, die Preise werden aufgrund der Marktmacht der Konzerne steigen, die Aushandlungsprozesse in den Bereichen Agrogentechnik und Pestizide werden massiv beeinflusst.

Lösungsvorschläge

Um die Verflechtung von Politik und Wirtschaft zu stoppen, sollten Abgeordnete ihre Nebeneinkünfte und Mitgliedschaften in Verbänden auf ihren Websites offenlegen müssen, sollte Parteiensponsoring zeitnah auf der Website des Bundestages transparent gemacht werden, sollte bei Gesetzesentwürfen klar nachvollziehbar sein, wer mitgeschrieben hat. Zudem brauchen wir unbedingt längere Karenzzeiten bei Politikern, die aus dem Amt ausscheiden. Und eine Verbandsklage zivilgesellschaftlicher Organisationen bei unzulässiger Einflussnahme. Denn der Mensch muss im Mittelpunkt stehen und nicht der Profit!