Mineralwasser mit großem ökologischem Fußabdruck: "Vittel" von Nestlé – Foto: DUH

Wirtschaft & Soziales

„Nestlé hat einen sehr problematischen Geschäftsansatz“

Diesen Beitrag teilen

Mineralwasser und andere Getränke sind ein Milliardengeschäft. Die ökologischen Nebenwirkungen sind dabei beträchtlich. Vor allem ein großer Nahrungsmittelkonzern sorgt immer wieder für negative Schlagzeilen und wurde deshalb im Jahr 2019 von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) mit dem „Goldenen Geier“ ausgezeichnet: Nestlé.

Interview mit Peer Cyriacks

 

ÖkologiePolitik: Herr Cyriacks, in den Pressemitteilungen der Deutschen Umwelthilfe taucht auffällig oft der Konzern Nestlé auf. Warum?

Peer Cyriacks: Nestlé hat einen sehr problematischen Geschäftsansatz verfolgt. Die Mineralwasserabfüllung für viele europäische Länder wurde in Frankreich zentralisiert in der Kleinstadt Vittel vorgenommen. Die dortige Quelle wird dadurch sehr stark beansprucht und zudem sind die Transportwege in andere EU-Länder sehr weit – nach Berlin über 920 km. Dabei existieren in Deutschland rund 200 Mineralbrunnen, von denen viele ihre Wässer regional distribuieren und im Vergleich zu Vittel kurze Transportwege aufweisen. Es gibt keinen vernünftigen Grund, in Hamburg, Berlin oder München Mineralwasser aus Frankreich zu konsumieren. Durch die regionale Entnahme werden die Mineralwasserquellen auch nicht zu stark beansprucht. Hinzu kommt, dass Nestlé sein Mineralwasser in Einweg-Plastikflaschen abfüllte: Ausdruck einer exzessiven und ressourcenvergeudenden Wegwerfkultur.

Wie hat Nestlé auf die Verleihung des „Goldenen Geiers“ reagiert?

Bei der Übergabe vor der Konzernzentrale von Nestlé in Frankfurt am Main blieb Vorstandschef Marc-Aurel Boersch fern und schickte dafür Marc Honold, Geschäftsführer von Nestlé Waters Deutschland, vor. Vorstandschef und Unternehmensentscheider Boersch brachte durch sein Wegbleiben zum Ausdruck, dass er den Wunsch der Verbraucherinnen und Verbraucher nach weniger Plastikmüll nicht ausreichend ernst nahm. Die DUH forderte Nestlé auf, dem Ansinnen der Bürgerinnen und Bürger nachzukommen und den Plastikflaschen-Irrsinn zu beenden: Getränke sollen in wiederverwendbaren Mehrwegflaschen abgefüllt und auf kurzen Wegen transportiert werden. Die DUH blieb am Thema dran und startete gemeinsam mit dem Schauspieler, Buchautor und Filmemacher Hannes Jaenicke eine Petition zur Abschaffung der „Vittel“-Plastikflaschen, die dann mehr als 158.000 Verbraucherinnen und Verbraucher unterzeichneten. Nach andauernder Kritik zog Nestlé im Februar 2022 die Reißleine und nahm das „Vittel“ in Deutschland vom Markt.

Ist Nestlé eine negative Ausnahme in der Getränkebranche? Oder ist die gesamte Branche schwierig?

Aus Sicht von Umwelt und Klima ergibt es keinen Sinn, ein ausländisches Mineralwasser in großen Mengen zu importieren. Mineralwasser sollte grundsätzlich regional und in Mehrwegflaschen angeboten werden. Deshalb sollten z. B. auch andere auf dem Markt befindliche französische Wässer in Einweg-Plastik wie „Volvic“ und „Evian“ von Danone schleunigst vom Markt genommen werden. Deutschland ist beim Mineralwasser Vorbild für den Rest Europas. Viele Brunnen arbeiten regional und vertreiben ihre Produkte rund um den Schornstein in Mehrwegflaschen, die bis zu 50-mal wiederverwendet werden. Durch den regionalen Fokus werden die Wasservorräte im Tiefengestein geschont. Problematisch wird es dann, wenn Zentralisierungstendenzen zu riesigen Einwegabfüllanlagen führen, die besonders viel Mineralwasser aus dem Boden holen. Mineralwasser in Einwegplastik wird vor allem im Discountbereich angeboten und lohnt sich nur bei riesigen Verkaufsmengen und einer nationalen Distribution. Deshalb gilt Mehrweg und regional ist besser als Einweg-Plastik und eine zentralisierte nationale Distribution mit einer großen Wasserentnahme.

Herr Cyriacks, herzlichen Dank für das interessante Gespräch.

 


Onlinetipps

Deutsche Umwelthilfe
Nestlé nimmt Vittel-Wasser in Einweg-Plastik vom deutschen Markt
Pressemitteilung, 02.02.2022
www.t1p.de/t1xk5

Deutsche Umwelthilfe
Goldener Geier 2019: Negativpreis an Nestlé
Pressemitteilung, 09.09.2019
www.t1p.de/5kixe

Deutsche Umwelthilfe
Wie Nestlé einer französischen Gemeinde das Wasser abgräbt
Nachricht, 18.09.2018
www.t1p.de/rp7iy

Urs Schnell (Produzent, Direktor)
Bottled Life – Nestlés Geschäfte mit dem Wasser
Dokumentarfilm, September 2013
www.bottledlifefilm.com

Campact
Stoppt den Ausverkauf unseres Trinkwassers
Online-Petition, 2023
www.t1p.de/7jv34

Deutsche Umwelthilfe
Deutschland trocknet aus!
Online-Petition, 2023
www.duh.de/wasser-retten/