Wasser ist eine der wichtigsten Grundlagen des Lebens. – Foto: PublicDomainPictures/pixabay.com

Umwelt & Klima

„Schadstoffe kommen wie ein Bumerang zu uns zurück“

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Es ist bei uns selbstverständlich, Leitungswasser sowohl zum Trinken und Kochen als auch für die WC-Spülung zu verwenden. Überhaupt werden problematische Stoffe zum bequemen Abtransport gerne ins Wasser geleitet. Im großen Stil. Sie müssen nur verdünnt sein und dürfen dabei bestimmte Grenzwerte nicht überschreiten. Nachhaltig ist das nicht.

Interview mit Dr. Monique Bissen

 

ÖkologiePolitik: Frau Dr. Bissen, was fasziniert Sie am Wasser? Und warum haben Sie jüngst ein Buch darüber geschrieben?

Dr. Monique Bissen: Wasser bewegt mich seit meiner Jugend. Als junges Mädchen erlebte ich das Fischsterben in einem verschmutzten Bach im Nachbarort. Aus diesem Schockerlebnis heraus entstand das Bedürfnis zu verstehen, wie Wasserverschmutzung entsteht und wie Lösungen aussehen können. Daraus entwickelte sich eine Leidenschaft für Wasser, die zu meiner Berufung geworden ist. Mit dem Buch möchte ich den Leser über alle Facetten der Qualität von Wasser informieren – ohne eine Betroffenheitsdiskussion zu starten. Ich bin überzeugt, dass uns nur Wissen hilft, es zu schützen. In vielen Ländern sind die Gewässer durch den Eintrag von ungereinigten Industrie- und Haushaltsabwässern in einem katastrophalen Zustand. Plastik, Düngemittel, Pestizide, Schwermetalle, Medikamentenrückstände, Industriechemikalien, aber auch mikrobiologische Gefährdungen haben Konsequenzen. Wichtig war mir, technische Problemlösungen aufzuzeigen, Filtrationstechniken zu erklären und darauf hinzuweisen, welchen Beitrag jeder Bürger zu saubereren Gewässern leisten kann.

Wasser ist ein Kreislaufprodukt, kann also eigentlich nicht verbraucht werden, sondern kommt als Regen irgendwann immer wieder zurück. Wo liegen die Probleme?

Wasser wird als Transportmittel für Abfall und schadstoffhaltiges Abwasser verwendet – nach dem Motto: Aus den Augen, aus dem Sinn! Doch die Schadstoffe reichern sich im Wasser und seinen Lebewesen an, kommen wie ein Bumerang zu uns zurück und machen uns krank. Die Entsorgung von jährlich Millionen von Tonnen Plastik belastet durch die darin enthaltenen Weichmacher und Schwermetalle die Lebewesen in unseren Gewässern. Kleine Wasserlebewesen, sogenanntes Zooplankton, lagern sich auf Plastikpartikeln ab und die nächsten Lebewesen in der Nahrungskette fressen sie mitsamt Plastik. Die Schadstoffe werden im Körper der Tiere freigesetzt, die wiederum auf unserem Teller landen. So schließt sich der Kreislauf. Und unzählige Vögel verhungern, weil ihre Mägen keine Nahrung mehr aufnehmen können, wenn sie mit Plastik gefüllt sind. Ähnliches Schicksal erwartet größere Meeresbewohner.

Welchen Einfluss hat die Landwirtschaft auf unsere Wasserqualität?

Die Massentierhaltung, egal ob an Land oder in Aquakulturen, erfordert den massiven Einsatz von Antibiotika und anderen Medikamenten. Natürlich gelangen die Rückstände dieser Pharmaprodukte über die Gülle in die Gewässer. Ab dort nehmen sie Einfluss auf das Leben der aquatischen Organismen und können als Spurenstoffe in unser Trinkwasser gelangen. Zudem erfordert die Versorgung der Tiere höchstmögliche Produktivität auf den Feldern. Dies bringt den massenhaften Einsatz von Düngern und Pestiziden mit sich, die bei Regen in Flüsse und Seen eingeleitet werden, die wiederum zur Trinkwasserversorgung genutzt werden. Hoher Düngemitteleintrag führt zu Algenblüten und sogenannten „toten Zonen“ in Gewässern: Hier ist kein Leben mehr möglich. In vielen Ländern werden auf Monokulturen immer noch Pestizide eingesetzt, die aufgrund ihrer krebserregenden Wirkung in Europa schon verboten sind. Auch der massive Medikamenteneinsatz in der Humanmedizin gefährdet unsere Gewässer. In kommunalen Kläranlagen tauchen Blutdrucksenker, Röntgenkontrastmittel, Hormone, Schmerzmittel und viele andere Wirkstoffe auf. Sie können in den Kläranlagen nicht vollständig abgebaut werden, da es sich um synthetische Stoffe handelt, welche die Bakterien, die das Wasser reinigen, nicht kennen. Sie gelangen in Flüsse und Seen und zeitversetzt ins Grundwasser und Trinkwasser.

Wo ist die Qualität des Trinkwassers gut? Wo schlecht?

In Deutschland ist die Qualität des Trinkwassers gut. Es gibt Wasserschutzgebiete in Regionen, in denen Rohwasser für die Trinkwassergewinnung entnommen wird. Funktionierende kommunale und industrielle Kläranlagen entfernen die meisten Schadstoffe weitestgehend aus dem Wasser. Trotzdem stellt der Substanz- und Schadstoffcocktail, den jeder Einzelne von uns an Reinigungsmitteln, Pestiziden, Kosmetika, Medikamenten, Mikroplastik täglich ins Abwasser einleitet, große Anforderungen an die Kläranlagen. Wir sollten beginnen, die Kläranlagen nicht als Endhaltestellen zu sehen, sondern als entscheidenden Teil einer Kreislaufwirtschaft, die wir anstreben sollten. Um die Menschen vor der Aufnahme dieser Schadstoffe zu schützen, ist der Gehalt vieler Substanzen und Substanzgruppen über gesetzlich festgelegte Grenzwerte in der Trinkwasserverordnung geregelt. Die Wasserversorger sind zur Überwachung der Werte vor der Abgabe des Wassers an die Verbraucher verpflichtet. In den vergangenen Jahren wurde deshalb in vielen Wasserwerken eine Aktivkohle-Filtrationsstufe eingebaut, um Schadstoffe wie Pestizide oder Medikamentenrückstände zu reduzieren. Wer ins benachbarte Ausland geht, merkt beim Aufdrehen des Wasserhahns häufig, dass das Trinkwasser zur Sicherstellung der mikrobiologischen Qualität Chlor enthält. Ein solches Wasser mögen die meisten Menschen unfiltriert nicht trinken. Der Geruch des Wassers vermittelt uns, dass seine Qualität nicht gut sein kann. In vielen Ländern außerhalb Europas ist die Trinkwasserqualität schlichtweg schlecht. Wassertrinken aus dem Wasserhahn sollte wegen des hohen Bakteriengehalts vermieden werden. In Regionen mit intensiver industrieller Produktion ist das Trinkwasser sogar stark mit Chemikalien belastet und gefährdet die Gesundheit der Menschen. Allerdings gilt nach wie vor bakteriell verseuchtes Trinkwasser als die häufigste Todesursache.

Welche Maßnahmen sind zur Qualitätssicherung unseres Trinkwassers am wichtigsten?

Entscheidend sind präventive Maßnahmen: die Vermeidung von Schadstoffen, die uns krank machen. Vorbeugen ist besser als heilen: Wasserschutzgebiete, in denen strenge Maßnahmen zum Schutz der Gewässer vor Schadstoffeinleitungen gelten, funktionierende kommunale und industrielle Kläranlagen sowie Trinkwasseraufbereitungsanlagen ermöglichen es, Trinkwasser von guter Qualität bereitzustellen. In vielen Ländern scheitert das aufgrund von Profitstreben, mangelndem Investitionswillen oder unzureichenden finanziellen Mitteln.

Was können wir Bürger für das Wasser tun?

Viele sprechen vom Tropfen auf den heißen Stein. Doch das stimmt nicht. Jeder Bürger kann einen Beitrag leisten und bewusster Konsum hilft, den Zustand der Gewässer zu verbessern. Einfach mal die Frage stellen: Brauche ich das ganz scharfe Putzmittel, brauche ich zusätzlich ein Wäscheparfüm, brauche ich den Lachs aus der billig produzierten, Antibiotika-intensiven Aquakultur? Die Reduzierung des Fleischkonsums führt zu weniger Eintrag von Düngemitteln und Pestiziden in Gewässern. Bei der Kleidung sollte man dem Trend der Fast Fashion mit ständig neuer Kleidung nicht folgen, da die Produktion von Textilien viele Schadstoffe freisetzt. Baumwolle erfordert den Einsatz von Pestiziden, die in Gewässer gelangen. Kunstfaser von Sportfunktionskleidung aus Plastik gelangen als Müll in Gewässer und die Farbstoffe zum Färben der Stoffe werden oft ungeklärt in Gewässer eingeleitet. Der Medikamentenkonsum könnte vielleicht eingeschränkt werden. Und um den Eintrag von Schwermetallen ins Wasser zu reduzieren, sollten nicht ständig immer neue Elektrogeräte gekauft werden.

Was ist Aufgabe der Politik?

Wasser ist explizites Thema von zwei UN-Nachhaltigkeitszielen: (6) sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen sowie (14) Leben unter Wasser. Wer sich die Nachhaltigkeitsziele ansieht, stellt fest, dass es eine Voraussetzung für die Erreichung aller anderen Ziele ist. Der Schutz von Wasser und Gewässern sollte hoch oben auf jeder politischen Agenda stehen.

Frau Dr. Bissen, herzlichen Dank für das interessante Gespräch.

 


Buchtipp

Monique Bissen
Wasser in Not
Porträt eines essenziellen Elements, das wir für unser Überleben brauchen
oekom, September 2022
256 Seiten, 28.00 Euro
978-3-96238-403-6