Prof. Dr. Klaus Buchner und Marianne Grimmenstein (am rechten Bildrand). Foto: Matthias Dietrich.

Länder

Schwabenpower gegen CETA

Diesen Beitrag teilen

Das hat sich der Ministerpräsident Winfried Kretschmann anders vorgestellt: Eigentlich war er am 15. September für einen Wahlkampfauftritt zum Karlsruher Kulturzentrum Tollhaus gekommen. Bevor er sich jedoch diesem widmen konnte, warteten auf ihn vor dem Eingang noch die Jugendlichen der parteiunabhängigen Gruppe Greenteam Schwabenpower. Sie hatten 79.717 Unterschriften ihrer Unterschriftenaktion auf der Online-Kampagnenplattform change.org bei sich: 79.717 Unterschriften von Menschen aus Baden-Württemberg, die den Ministerpräsidenten auffordern, sein Versprechen zu halten und sich im Bundesrat gegen das europäisch-kanadische Freihandelsabkommen CETA einzusetzen.
Der Unterschriftensammlung auf change.org waren u. a. eine Bürgerklage von Marianne Grimmenstein, die auch vom Europaabgeordneten der ÖDP, Prof. Dr. Klaus Buchner, unterstützt worden war, und der Volksantrag gegen CETA des ÖDP-Landesvorsitzenden Guido Klamt vorausgegangen. Bei dem Volksantrag hatte es sich um den ersten seiner Art in Baden-Württemberg gehandelt und es war schnell deutlich geworden, dass dieser mit einem enormen organisatorischen und formalen Aufwand verbunden sein würde. So sind am Ende zwar 6.000 Unterschriften eingegangen, die allesamt von den jeweiligen Gemeindebehörden bestätigt werden mussten, aber die für einen Erfolg erforderlichen 39.000 Unterschriften konnten trotz eines Unterstützerbündnisses nicht erreicht werden. Auch die Gruppe Greenteam Schwabenpower hatte den Volksantrag mit seinen Forderungen, der Landtag möge sich gegen CETA aussprechen und die grün-schwarze Landesregierung sich im Bundesrat gegen CETA, aktiv unterstützt. Als sich der Volksantrag dem Ende zuneigte, starteten die Jugendlichen von Greenteam Schwabenpower ihre eigene, weniger formale Unterschriftenkampagne. Dabei erhielten auch sie vielfältige Unterstützung, darunter von Marianne Grimmenstein, Prof. Dr. Klaus Buchner und der ÖDP.
Die Unterschriftenkampagne wurde ein Erfolg: Am Tag der Übergabe hatten die Jugendlichen 79.717 Unterschriften beisammen. Ministerpräsident Kretschmann war von dieser Aktion aber alles andere als begeistert. Er argumentierte den Jugendlichen gegenüber, dass in den Vertragstext doch schon Verbesserungen eingeflossen seien und das Freihandelsabkommen nötig sei. Den Jugendlichen von Greenteam Schwabenpower warf er vor, gegen den Handel an sich zu sein. Sprach’s und stieg vom Podium, zunächst ohne die Unterschriften mitzunehmen. Diese wurden ihm dann eilig hinterhergereicht.

Ludwig Essig, Nils Körner, Winfried Kretschmann. Foto: Matthias Dietrich.

An die Unterschriftenübergabe folgten drei Reden. In der ersten betonte Ludwig Essig, dass er und seine Mitstreiter von Greenteam Schwabenpower nicht gegen den Handel an sich seien, sondern nur gegen solche undemokratischen, unsozialen und unökologischen Handelsabkommen. In der zweiten Rede legte Marianne Grimmenstein dar, dass Bündnis 90/Die Grünen im Europaparlament und Bundestag gegen CETA seien und dagegen stimmen würden. Letztendlich entscheidend sei jedoch das Abstimmungsverhalten im Bundesrat, in dem die Bundesländer CETA noch zu Fall bringen könnten, indem sie das Abkommen ablehnen. Hier sei aber nicht gesagt, dass die Bundesländer mit grüner Regierungsbeteiligung gegen CETA stimmen. Gerade im Hinblick auf Baden-Württemberg sei dies fraglich, wo nicht nur die CDU das Freihandelsabkommen unterstütze, sondern sich auch schon grüne Spitzenpolitiker dafür offen gezeigt hätten. Dass Kretschmann dazugehört, habe seine Reaktion bei der Unterschriftenübergabe gezeigt. In der abschließenden Rede machte Prof. Dr. Klaus Buchner deutlich, in welchem Maße die Durchsetzung von CETA und die Inhalte dieses Freihandelsabkommens demokratische Grundsätze mit Füßen treten. Er legte eindrücklich dar, wie Inhalte des Vertragstextes unter Verschluss gehalten werden, wie die Souveränität der Staaten bei der Gesetzgebung beschnitten wird, wie der jetzige SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz als Präsident des Europaparlamentes einfach eine Abstimmung verschieben ließ, als sie zu Ungunsten der Befürworter von CETA zu verlaufen drohte, und wie die Schiedsgerichtsverfahren zu einer Geldquelle der Kanzleien werden.
Die Bundestagswahl ist für die ÖDP in Baden-Württemberg eher enttäuschend verlaufen. An absoluten Stimmen hat sie leicht verloren und diesmal 21.789 Zweitstimmen erhalten (2013: 23.704). Das sind – wie schon 2013 – 0,4 %. Bei den Erststimmen haben sich 18.333 Wählerinnen und Wähler (= 0,3 %) für die ÖDP entschieden, wogegen es 2013 30.607 waren. Die Stimmenzahlen bei den Erststimmen sind allerdings nur begrenzt miteinander vergleichbar, weil die Kandidatinnen und Kandidaten und Wahlkreise, in denen die ÖDP angetreten ist, verschieden sind und den Erststimmen ein etwas geringeres Gewicht beigemessen wurde. Bei den Zweitstimmen muss man berücksichtigen, dass diesmal in Baden-Württemberg deutlich mehr Parteien als bei der letzten Wahl angetreten sind und damit die Konkurrenz größer geworden ist. So haben aufgrund der Zerstrittenheit der Tierschutzbewegung gleich drei Parteien aus dem Bereich des (radikalen) Tierschutzes kandidiert. 2013 stand von diesen Parteien nur die Tierschutzpartei/MUT auf dem Wahlzettel.
Die besten Zweitstimmenergebnisse konnte die ÖDP in den Wahlkreisen Ravensburg (1,1 %), Biberach (0,9 %), Rottweil-Tuttlingen (0,7 %) und Odenwald-Tauber (0,7 %) einfahren. Die meisten Erststimmen vereinten Thomas Bergmann (WK Ravensburg), Gudrun Diebold (WK Biberach) und Axel Gebhardt (WK Odenwald-Tauber) mit 1,7 %, 1,3 % und nochmals 1,3 % auf sich.