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Ethik & Gesellschaft

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Der Untertitel des Buchs bezieht sich auf den berühmten Satz „Es gibt kein richtiges Leben im falschen“ von Theodor W. Adorno – und behauptet das Gegenteil. Adorno polemisierte mit seiner Aussage gegen eine konservative philosophische Ethik, welche die Frage nach dem guten Leben unabhängig von der Frage nach der richtigen Gesellschaft beantworten wollte. Doch damit meinte er nicht, dass man unter den bestehenden Bedingungen keine Möglichkeit hat, richtig zu handeln. Dieses Buch korrigiert diese Fehlinterpretation – und wendet sich auch gegen die bei vielen linken Philosophen verbreitete Tendenz, überall nur das Falsche aufzuspüren und das Richtige und Wahre auszublenden und nicht angemessen zu würdigen. Die Sehnsucht nach dem Richtigen ist jedoch für den Autor die Voraussetzung für gesellschaftliches Engagement. Wir leben zwischen zwei Polen: der Frage nach der Herstellung guter äußerer Bedingungen für ein sinnvolles Leben und der Frage nach einem möglichst sinnvollen Leben unter den bestehenden Bedingungen. Überall, wo wir aktiv sind – in der Familie, im Freundeskreis, in gemeinwohlorientierten Organisationen –, sollten wir immer wieder neu versuchen, nach ethischen Maßstäben zu leben. Nach Maßstäben, die seit Jahrtausenden bekannt sind. Es geht im Leben immer um deren praktische Verwirklichung in unterschiedlichsten Situationen. Das Richtige definiert sich nicht durch den wahrscheinlichen Ausgang eines geschichtlichen Verlaufs, sondern bewahrheitet sich, wenn es glaubwürdig und leidenschaftlich verkörpert wird. Fokussiert man sich dagegen auf die theoretische Durchdringung und die radikale Veränderung bislang falsch eingerichteter Verhältnisse, besteht die Gefahr einer Verbiesterung des politischen Aktivismus. Die Hoffnung muss jedoch als praktische Tugend glaubhaft vorgelebt werden – leidenschaftlich, aber nicht verbittert.

Michael Hirsch
„Richtig falsch“
Es gibt ein richtiges Leben im Falschen
Textem, Juli 2019
192 Seiten, 16.00 Euro
978-3-86485-135-3