MontagsGedanken

55 Millionen Deutsche verzichten

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Von den beiden aktuellen Großprojekten zum Schienenverkehr in Deutschland ist also jetzt eines fertiggestellt. Hoffentlich kann die Hochgeschwindigkeitsstrecke München-Berlin – trotz Panne bei der Eröffnungsfahrt – einige der absurden innerdeutschen Flugverbindungen unattraktiv machen. Ich wünsche der Bahn viel Erfolg dabei!

Das zweite Bahn-Großprojekt, „Stuttgart 21“, fliegt den Betreibern gerade um die Ohren. Der Tiefbahnhof mit dem anhängenden Tunnelsystem ist auf dem Weg, das Berliner Flughafen-Desaster noch zu toppen: Kostenexplosion und Zusammenbruch des Zeitplans sind also keine Spezialitäten der Hauptstadt – das kann man auch im Süden der Republik.

Man könnte die Milliardenverschwendung ins Lächerliche ziehen, wäre es nicht so traurig: Überall in den Regionen fehlt es an attraktiven Angeboten im Nah- und Regionalverkehr. Viele Klein- und Mittelzentren sind vom Fernverkehr praktisch abgekoppelt. Dieses schlechte Angebot ist eine der Ursachen dafür, dass 2/3 aller Bundesbürger (also rund 55 Millionen Menschen) niemals den öffentlichen Verkehr nutzen. An diesem Problem müssten alle Verantwortlichen arbeiten, weil neben Energiebereitstellung und Ernährung das Mobilitätsverhalten höchste Klimarelevanz hat. Weder die Superstrecke Berlin-München noch das Debakel-Projekt „Stuttgart 21“ werden 55 Millionen Deutsche dazu veranlassen, den Verzicht auf die Leistungen des öffentlichen Verkehrssystems zu beenden. Dies könnte nur eine am Gemeinwohl orientierte öko-soziale Verkehrspolitik. Ob sich damit die nächste Bundesregierung befassen wird?