Wachstum ist in der Wirtschaftspolitik immer noch das wichtigste Ziel. – Grafik: Tumisu/pixabay.com

Kompass Orange

Fragen und Gegenfragen

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Es sind in aller Regel sehr vernünftige Menschen, die skeptisch fragen, ob eine Wirtschaft ohne Wachstum denkbar ist. Wie sollen Arbeitsplätze gesichert werden, wenn der Produktivitätsfortschritt nicht mehr durch Ausweitung der Produktion ausgeglichen wird? Wie sollen die Kapitalanleger mit hohen Dividenden befriedigt werden, wenn Umsätze und Gewinn stagnieren? Wie soll der Steuer- und Abgabenbedarf des Staates gedeckt werden? Wie soll eine immer noch wachsende Menschheit mit nötigen Gütern (und ein bisschen Luxus) versorgt werden? Und, und, und …

Die Expertinnen und Experten des Internationalen Währungsfonds (IWF) stellen diese Fragen nicht. In ihrem aktuellen Europa-Gutachten setzen sie voraus, dass es auf diese Fragen keine Antworten geben kann. Wachstum ist notwendig. Punkt. Dass es momentan fehlt, vor allem in Deutschland fehlt, ist das Problem. Sagt der IWF.

Wer mich nach den Folgen der Wachstumsreduzierung fragt, bekommt es mit der Gegenfrage zu tun: Halten Sie stetiges Wachstum der Warenproduktion, stetiges Wachstum der Flächenversiegelung, stetiges Wachstum des Ressourcenabbaus, beschleunigte Leerung der Wasserreservoire, stetiges Wachstum der Mobilität, stetiges Wachstum der Pestizidausbringung und viele weitere Wachstumsprozesse wirklich für möglich, für erstrebenswert und für machbar ohne dauerhafte Schädigung der Biosphäre?

Ich weiß, dass Gegenfragen keine Probleme lösen. Sie öffnen aber Debattenräume. Ja, die Umstellung der Weltwirtschaft auf eine reduzierte Form ist eine ungeheure Herausforderung. Die unkorrigierte Fortsetzung der IWF-Wachstumsstrategie wäre jedoch weder möglich noch verantwortbar. Leider wäre auch die gerne gehörte (und nirgends verwirklichte) „green-growth-Vision“ – Verdoppelung des Wohlstandes bei halbiertem Naturverbrauch – keine Lösung: Eine Halbierung des weltweiten Naturverbrauchs möchte ich mir lieber nicht vorstellen …