Wie christlich ist die ÖDP?
30. Juli 2022
In der Geschichte der ÖDP gab es immer schon zwei Tendenzen: einerseits eine Ablehnung von deutlichen Bezügen zum Christentum, andererseits eine Orientierung an und eine Übernahme von christlichen Wertevorstellungen.
von Roswitha Bendl
Der Ausspruch von Franz Alt „Die ÖDP hat das C nicht im Namen, sondern im Programm“ wurde zwar überwiegend als Kompliment verstanden, aber überzeugte Christinnen und Christen in der ÖDP wollten die Religion nicht zu Werbezwecken gebrauchen oder missbrauchen, wie dies oft den Unionsparteien vorgeworfen wurde. Außerdem wollte man auch die von Anfang an vorhandene nicht-christliche bzw. nicht-religiöse Fraktion in der ÖDP nicht verprellen. So kam es, dass alle Anträge, die in den Parteinamen oder in das Programm einen deutlichen Hinweis auf eine christliche Ausrichtung einfügen wollten, abgelehnt wurden.
Was sich jedoch im Programm wiederfindet, ist ein Bezug auf die „Schöpfung“, die es zu bewahren gelte. Wie eine Antragsdiskussion auf dem 60. Bundesparteitag im April 2022 zeigte, stößt dieser Terminus bei manchen auf Ablehnung, weil er Politik mit Religion vermische und viele Menschen heutzutage nicht mehr an eine Schöpfung glaubten. Auch die Berufung auf „christlich-humanistische Werte“ wird bis heute von jenen abgelehnt, die Politik wohl nicht an einer Religion ausgerichtet sehen wollen.
Zur starken Verankerung von christlichen Werten im Parteiprogramm der ÖDP kam es, weil sich in den frühen 1980er-Jahren die Kirchen in der Bundesrepublik, der DDR und auch weltweit in diversen Versammlungen und Dokumenten mit der immer deutlicher zutage tretenden Umweltkrise beschäftigten. Die Trias „Friede, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung“ wurde zur Kurzformel für ein zeitgerecht gelebtes Christentum und gewann in dieser gelungenen Knappheit und Bündigkeit eine hohe Kommunikationsqualität.
Da aber weder die SPD noch die CDU/CSU diese Thematiken glaubwürdig ins Programm nahmen, freundeten sich aktive Christinnen und Christen zunächst mit dem Gedanken an, in die entstehenden „Grünen“ einzutreten. Diese waren damals jedoch einerseits stark von marxistischen und insofern prinzipiell religionskritischen bis religionsfeindlichen Gruppen geprägt, andererseits vertraten sie schon früh eine aggressiv-feministische Haltung zum Schutz des ungeborenen Lebens. Ein Schwangerschaftsabbruch wurde und wird dort fast ausschließlich als Ausdruck der „reproduktiven Selbstbestimmung“ gesehen. Eigene Rechte wurden und werden dem ungeborenen Kind bei den „Grünen“ mehrheitlich abgesprochen.
Eine einseitig ausgerichtete „Frauenpolitik“ als Ziel und die damalige Interessenlosigkeit der „Grünen“ an dem, was man traditionell als Familienpolitik bezeichnet, trugen dazu bei, dass es Vorbehalte gegen ihre Politik gab. Im Bereich der Sexualpolitik kam noch dazu, dass die Forderung nach einem Ende der strafrechtlichen Wertung von sexuellen Handlungen mit Kindern auf Parteitagen intensiv diskutiert wurde und man zumindest zeitweise den Eindruck gewinnen konnte, dass bei den „Grünen“ dafür gewisse Sympathien bestanden.
Mit zunehmender Verfestigung des Programms der „Grünen“ stellte sich daher für viele christlich motivierte Menschen die Frage, ob sie in dieser Gruppierung noch bleiben könnten. Während die einen trotz großer Bedenken blieben, um die Ökologie voranzubringen, traten andere aus, weil sie den Eindruck hatten, dass eine wertkonservative Grundhaltung hier keinen Platz haben könne und sie lediglich als „nützliche Idioten“ geduldet würden. Sie versuchten, die ökologischen Grundwerte in einer neuen organisatorischen Form stringent zu definieren und gleichzeitig Werte wie einen ausreichenden Rechtsschutz für das ungeborene Leben, Gerechtigkeit für traditionelle Familienformen und eine Abwehr marxistischer Gesellschaftsmodelle zu vertreten. So entstand die ÖDP.
Mit ihrer Gründung im Jahr 1982 sollte zielgerichtet vor allem Menschen ein Angebot gemacht werden, die die Unionsparteien wählten oder sich in ihnen engagierten, gleichzeitig aber von den ökologischen Aufbrüchen in den Kirchen angetan waren. Es zeigte sich jedoch, dass die traditionelle Parteibindung dieser Menschen stärker war als deren ökologische Motive. Zudem beharrte das „bürgerliche Lager“ auf der Überzeugung, dass nur in einer „großen Volkspartei“ wirksam Politik gemacht werden könne.
Begriff „wertkonservativ“ bzw. „konservativ“ noch tragbar?
Waren in vergangenen Jahrzehnten die Begriffe „wertkonservativ“ bzw. „konservativ“ weitgehend positiv besetzt, so gelten sie zunehmend als unpassende und abzulehnende, weil unter „Rechtsverdacht“ stehende Bezeichnungen. Stattdessen wird lieber von „wertebewusst“ bzw. von einem „Wertefundament“ (CDU) und „Grundwerten“ geredet, um nicht unvorteilhafte Assoziationen zu wecken.
Betrachtet man die Wortwurzel von „konservativ“, ist zwar offensichtlich, dass es um Bewahrung – lateinisch: conservare – geht. Aber von einem Festhalten an „alten Zöpfen“ bis hin zur Bewahrung von Wichtigem und Wertvollem für eine lebenswerte Zukunft ist in der Deutung alles möglich.
Interessant und hilfreich für die Einordnung ist der Rückblick auf einen Versuch des mittlerweile verstorbenen SPD-Politikers Erhard Eppler. In seinem 1975 erschienenen Buch „Ende oder Wende“ benannte er mit dem Begriff „Wertkonservatismus“ eine Politikrichtung als Gegensatz zum „Strukturkonservatismus“ des traditionell konservativen Lagers, dem es um die Erhaltung vorhandener Machtkonstruktionen ging.
Die ÖDP, deren erster Slogan übrigens „Bewahren, nicht plündern!“ lautete, wird sich noch weiter mit der Frage auseinandersetzen, wie sehr man möglichen Missverständnissen durch den Gebrauch von „umstrittenen“ Begriffen ausweichen kann bzw. sollte, oder ob es nicht mutiger wäre, auch gegen den Mainstream an Überzeugungen festzuhalten.
Was machen die Christen heute in der ÖDP?
Zeitnah mit der Gründung der ÖDP gründete sich auch deren Bundesarbeitskreis „Christen und Ökologie“, der sich seit Kurzem „Christen in der ÖDP“ nennt, vergleichbar mit ähnlichen Gruppen in anderen Parteien. Christen verschiedener Bekenntnisse befassen sich in ihm mit aktuellen politischen Fragen und bewerten diese aus christlicher Perspektive. Die Mitglieder vertreten regelmäßig mit Infoständen ihren Arbeitskreis und die ÖDP z. B. auf Kirchentagen nach außen, laden bei ÖDP-Parteitagen zu Andachten ein und tragen durch Anträge und Diskussionsbeiträge auch innerparteilich zur Arbeit und politischen Willensbildung bei.
Onlinetipp
Bundesarbeitskreis Christen in der ÖDP
Positionspapier Christen und Politik
www.t1p.de/q63be