Foto: B_Me/pixabay.com

Bauen & Verkehr

Mehr Mobilität mit weniger Verkehr

Diesen Beitrag teilen

Experten-Vorschläge zur Frage, wie der Verkehr von morgen aussehen soll, gibt es derzeit viele. Die meisten kommen jedoch nicht über das Schlagwort „Elektromobilität“ hinaus. Die ÖDP Sachsen setzte daher einen Landesarbeitskreis ein, der ein fundiert recherchiertes, ganzheitliches Konzept entwickelt – kein Verkehrs-, sondern ein Mobilitätskonzept.

von Daniel Micklisch und Markus Taubert

Zwischen einem Verkehrskonzept und einem Mobilitätskonzept zu unterscheiden, klingt vielleicht zunächst banal, hat allerdings weitreichende inhaltliche Folgen: Verkehr zu optimieren bedeutet: einer Autobahn zusätzliche Spuren geben. Mobilität zu optimieren bedeutet: leistungsstärkere und zugleich ökologische Alternativen wie z. B. den Schienenverkehr fördern. Es gilt, die Mobilitätsbedürfnisse der Einzelnen mit einer minimalen Belastung von Mensch und Umwelt bestmöglich zu befriedigen. Nachdem das Konzept die relevanten Emissionen benennt, ordnet es die gängigen Verkehrsträger in einer Prioritätenliste nach ihrer ökologischen Neutralität.

Mobilität ganzheitlich zu betrachten, bedeutet aber auch, sich weitreichenden raum- und stadtplanerischen Fragen zu stellen: War die Zusammenlegung von Dorfschulen immer sinnvoll? Schwächen Supermärkte im ländlichen Raum die Dorfgemeinschaften? Ist das Leben in einer Großstadt mit kurzen Wegen zur Arbeit, zum Einkaufen und zum Arzt nicht ökologischer als das auf dem Land? Hier bedarf es wohl auch einer Präzisierung der bundespolitischen ÖDP-Position.

Zwar hebt das Konzept die Vorteile von Fuß- und Radverkehr hervor und verlangt deren Gleichberechtigung, sieht aber, dass auch in Zukunft ein Großteil des Verkehrs mit motorisierten Fahrzeugen abgewickelt werden muss. Dies sollte jedoch weitgehend mit öffentlichen Verkehrsmitteln geschehen. Deren Ausbau steht gegenwärtig in keinem Verhältnis zu den Investitionen in Straßen. Auf dem Land wurden fatalerweise sogar Bahnstrecken stillgelegt, wo früher ein Stundentakt angeboten wurde.

Öffentliche Verkehrsmittel

Oft ist zu hören, dass Busse und Bahnen nicht ausgelastet und somit unrentabel sind. Bemerkenswert ist, dass die Verantwortlichen die Fahrzeuge kaum selbst benutzen. Meist wird fehlender Komfort als Grund angegeben. Die Sicht nach draußen ist in den Städten meist durch wenig ansprechende Schallschutzwände behindert. Klimaanlagen funktionieren nicht immer und manuelles Lüften ist in modernen Fahrzeugen oft nicht möglich. Im neuen CityLink, der rund um Chemnitz im Einsatz ist, befinden sich die Sitzlehnen in der Mitte der Fenster – und die breiten Fensterrahmen dort, wo die Fahrgäste rausschauen und die vorbeiziehende Landschaft genießen wollen.

Die Akzeptanz des öffentlichen Verkehrs wird auch dadurch geschmälert, dass der Pkw nach wie vor ein Statussymbol ist. In Deutschland wird sich kaum ein Top-Manager in einen Zug außerhalb der Ersten Klasse setzen. In Großbritannien ist das anders, wenn auch nicht zwingend besser. Dort fahren nur diejenigen mit dem Zug, die es sich leisten können oder in einem Verkehrsverbund wohnen. Dort ist aber im Vergleich zu Deutschland das überregionale Busnetz erheblich leistungsfähiger. Die Fahrzeuge sind sehr komfortabel und fahren auch am Wochenende in schwach besiedelten Regionen meist stündlich. Bei einem so guten Angebot ist eine hohe Akzeptanz des öffentlichen Verkehrs auf dem Land sehr wohl möglich.

In Deutschland muss man außerhalb der Ballungszentren mit der Lupe nach einer Busverbindung am Wochenende suchen. Meist verkehren auch in der Woche Busse nur bis 17 Uhr. Hinzu kommen unattraktive Takte, Fahrzeiten und Anschlussmöglichkeiten an Ländergrenzen sowie unübersichtliche Tarife, insbesondere bei Fahrten durch verschiedene Landkreise und Verkehrsverbünde. Wie soll da Mobilität für alle ohne Individualverkehr möglich sein? Es fehlen gegenwärtig Wille, Vision und Leidenschaft, dies zu ändern. In Sachsen leisten Eisenbahnvereine und kleinere Verkehrsunternehmen wie die Vogtlandbahn seit Jahrzehnten hervorragende Arbeit und haben noch solche Visionen. Daher wird die ÖDP Sachsen mit ihnen zusammenarbeiten.

Konkrete Forderungen

Das Konzept stellt vor diesem Hintergrund eine Reihe an Forderungen auf. Unter anderem sollen Rad- und Gehwege ausgebaut und öffentliche Ladestationen für Pedelecs eingerichtet werden, Busse und Bahnen auch in kleinen Orten rund um die Uhr fahren und auch für Schichtarbeiter attraktiv sein. Verkehrsanlagen sollen mit Ökostrom betrieben werden, Umweltzonen nahe Wohnbebauung die Anwohner schützen und unnötig versiegelte Verkehrsflächen renaturiert werden. Der Tausalz-Einsatz muss erheblich reduziert werden. An Mobilitätspunkten sollen die öffentlichen Verkehrsmittel mit Car- und Bike-Sharing-Angeboten zusammengeführt werden, sodass die Bürgerinnen und Bürger intermobil reisen können. Stationen und Haltestellen sollen, statt Angstraum zu sein, einen hohen Aufenthaltswert bekommen und mit Mitarbeitern besetzt sein.

Busse und Bahnen können Völker verbinden. Sie sollten daher für jedermann nutzbar sein, unabhängig vom Einkommen. Das sollte durch ein obligatorisches landesweites Abo sichergestellt werden. Durch die freiwillige Einbeziehung von Transfährempfängern und Ehrenamtlichen wie Rentnern und Behinderten in die lokalen Vereine lässt sich die Identifikation und Akzeptanz der öffentlichen Verkehrsmittel erhöhen.

Das Mobilitätskonzept des ÖDP-Landesverbands Sachsen soll auch Grundlage für ein Überdenken und Überarbeiten des aktuellen Mobilitätskonzepts des ÖDP-Bundesverbands sein. Alle ÖDP-Mitglieder können sich daran beteiligen. Die aktuelle Arbeitsfassung kann hier heruntergeladen werden: https://www.oedp-sachsen.de/fileadmin/user_upload/01-instanzen/14/180814_-_Mobilitaetskonzept_Fassung_3.pdf