Beschwört in Bierzelten gern den „gesunden Menschenverstand“: Hubert Aiwanger. – Foto: stux/pixabay.com

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Gesunder Menschenverstand?

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Es ist ein Lieblingsbegriff von Leuten, die von sich selber behaupten, auf dem „goldenen Mittelweg“ und „ganz nah bei den Menschen“ zu sein. Besonders gerne bemüht z.B. Hubert Aiwanger in Bierzeltreden und in Social-media-Beiträgen den „gesunden Menschenverstand“. Dieser zeige doch eindeutig, dass das eine „Blödsinn“ ist und das andere die „einzig richtige Lösung“. Meistens entspricht die „einzig richtige Lösung“ eines Problems genau den Interessen und Meinungen des jeweils anwesenden Publikums.

Die moderne Welt ist kompliziert. Vor allem seit wir nicht nur die Meinungsfreiheit, sondern auch die Wissenschaftsfreiheit und die Religionsfreiheit im Grundgesetz stehen haben, müssen wir alle mit der Vielfalt der Meinungen, der Sichtweisen und der Glaubenssätze leben. Konkret im Alltag bedeuten diese vielen Freiheiten, dass ich mit Menschen zusammenleben muss, die meine Meinungen nicht teilen – weder ganz, noch überwiegend oder auch nur minimal.

Ja, das soll es geben: Andere denken anders, sehen andere Lösungen und reden anders als ich selber. Und ich soll das aushalten? Nein, ich muss das aushalten und sogar gut finden, weil das Demokratie bedeutet.

Wer gerne und oft den „gesunden Menschenverstand“ bemüht, steht unter dem begründeten Verdacht, dass er oder sie mit dem grundgesetzlich favorisierten Modell einer offenen und toleranten Gesellschaft seine Probleme hat. Im schlimmsten Fall entwickelt sich der „gesunde Menschenverstand“ gar zu einer fürchterlichen Extremform: Dann wird das angeblich „gesunde Volksempfinden“ bemüht. Ausgrenzung, Deportation und Massenmord wurden vom „Volksempfinden“ nicht nur toleriert, sondern oft sogar gefordert.

Es ist nötig, undemokratischen Sprachgebrauch zu erkennen und ihm Widerstand zu leisten. Aus Worten werden nämlich sehr oft Taten …