Kommunal

Stadtwald statt Landesgartenschau

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Von der Schwierigkeit, ein Bürgerbegehren gegen ein Ratsbegehren durchzusetzen, hat Stefan Bretscher aus dem ÖDP-Kreisverband Schweinfurt zu berichten.

Zusammenschluss vieler Helfer aus der ÖDP, Stadträtin Dr. Ulrike Schneider und engagierte Bürger. Foto: Pablo Ziller

Als ich in Schweinfurt als Landtagskandidat für die ÖDP unterwegs war, begegnete mir eine Stadträtin und fragte mich, ob die ÖDP nicht bereit sei, mit ihr zusammen für eine gute Sache zu kämpfen. In Schweinfurt gibt es seit Abzug der amerikanischen Truppen am Stadtrand gelegen eine brachliegende Konversionsfläche von ca. 10 ha.

Die Stadtverwaltung schlug letztes Jahr eine Landesgartenschau im Jahre 2026 als Hebel für die Begrünung der Fläche vor und gab verschiedene Prüfungen in Auftrag. Nachdem sich herausstellte, dass die Landesgartenschau einen zweistelligen Millionenbetrag verschlingen wird, machte sich Stadträtin Dr. Ulrike Schneider (FW) auf die Suche nach Alternativen. Eine Anfrage ans Forstamt ergab Kosten in Höhe von 400.000 Euro für die Anlage eines Waldes, abzüglich 80 % Fördergelder vom Freistaat Bayern. Eine günstigere und ökologischere Alternative war geboren. Nach Beratung mit meiner Kreisvorsitzenden las ich mich in die Problematik ein und bekam grünes Licht für eine Zusammenarbeit. Mithilfe des bekannten Fernsehjournalisten Frank Farenski (www.transparenztv.com) organisierten wir eine Podiumsdiskussion zum Thema Stadtwald in einem Schweinfurter Kino, zu der wir den Oberbürgermeister Sebastian Remele (pro Landesgartenschau) einluden. Kurz zuvor hatte der Stadtrat mit einfacher Mehrheit von CSU, Grünen, FDP, Linke und der Liste Pro Schweinfurt einen Gegenentwurf zu unserer Bürgerinitiative, ein sogenanntes Ratsbegehren, gebilligt, bei dem für einen Bürgerpark geworben wurde. Dieser solle im Rahmen der Landesgartenschau entstehen. Der Oberbürgermeister „glänzte“ mit einer angeblich 7 Jahre alten Fichte von 40 Zentimetern Höhe, die er mitbrachte. Damit versuchte er das Szenario eines langsam wachsenden düsteren Wäldchens darzustellen. Dies konnte sofort durch Baumexperten widerlegt werden. Zudem ließ er wissen, dass bei der Anlage eines Waldes die bestehende Fernwärmeleitung kostenintensiv verlegt werden müsse, was wir ebenfalls durch Nachfrage bei den Behörden widerlegen konnten.

Doch es kam noch schlimmer! In einer offiziellen Bürgerinformation, die dann zusammen mit den Wahlunterlagen verschickt wurde, waren von uns widerlegte Fehlinformationen der Stadtverwaltung nicht korrigiert. Im Gegenteil: Neben der angeblich notwendigen Verlegung der Fernwärmeleitung wurde unser Wald in diesem Schreiben auf 7 ha zusammengeschrumpft, da die Stadtverwaltung grundlos Wege, Büsche und Lichtungen flächenmäßig herausgerechnet hatte. Wir druckten daher auf eigene Kosten Flyer für alle Haushalte und teilten diese aus. Die Hauptargumente für den Stadtwald waren die geringen Kosten, der ökologische und gesellschaftliche Nutzen für Mensch, Vögel und Insekten, die Absorption von Feinstaub, die CO2-Bindung, die Speicherung von Wasser und der Kühleffekt in den heißen Sommermonaten. Mithilfe von Fernsehjournalist Farenski konnten wir weitere werbewirksame Infostände in Schweinfurt betreiben. Diese wurden jedoch trotz korrekter Anmeldung vom Stadtordnungsamt torpediert, indem man z. B. das Verteilen von Flyern oder einen Kindermalwettbewerb untersagte.

Ein weiteres Ärgernis war der Wahlzettel selber. Es galt zur Verwirrung der Bürger, 3 Fragen zu beantworten: pro und kontra Landesgartenschau bzw. Stadtwald sowie eine Stichfrage. Zu diesem komplizierten Stimmzettel kam kurz zuvor ein Vorschlag der SPD, für beide Begehren mit Nein zu stimmen, um das Gelände für eine Bebauung freizuhalten. Dadurch waren viele Bürger verunsichert, weil gar nicht klar wurde, was rechtlich bei einem Doppel-Nein passiert.

Mein Vertrauen in den demokratischen Rechtsstaat wurde durch all diesen Gegenwind stark angegriffen. So warteten wir gespannt den Wahlsonntag am 20. Januar 2019 ab, ob wir genügend Bürger mit unserer Botschaft eines ökologischen und kostengünstigen Stadtwaldes erreichen konnten, und hofften auf die Vernunft der Bürger und die direkte Demokratie.

Am Ende haben beide Bürgerbegehren das Quorum verfehlt bei einer Wahlbeteiligung von 28 %. Bei beiden haben die Nein-Stimmen überwogen. Bei den Ja-Stimmen hatte der Stadtwald die Nase vorn, ebenso bei der Stichfrage. Dadurch war klar: Das Ratsbegehren hat unseren Stadtwald torpediert. Wir haben nur 11,3 % der Ja-Stimmen für den Stadtwald bekommen. Dennoch: Die Ja-Stimmen für den Bürgerpark mit Landesgartenschau waren noch geringer. 5,5 % der Wähler haben mit Doppel-Nein gestimmt, dadurch aber insgesamt mehr Nein-Stimmen bei beiden Entscheiden produziert. Fast 25 % der Stimmzettel waren, teils aus Protest, ungültig. Der Bürgerentscheid ist so kompliziert geworden, dass selbst Stadträte am Wahlabend ratlos dastanden und das Ergebnis nicht bewerten konnten.

Umso ärgerlicher, dass der Bürgermeister nun an seiner Idee der Landesgartenschau festhält. Formal gilt nämlich jetzt der frühere Stadtratsbeschluss vor dem Bürger- bzw. Ratsentscheid. Dennoch hat sich vieles in Schweinfurt bewegt. Einige der Schweinfurter Stadträte haben nach diesem schlechten Ergebnis Konsequenzen gezogen und würden gerne der teuren Landesgartenschau eine Absage erteilen. Langt nun der öffentliche Druck, um im Stadtrat erneut über die Landesgartenschau abzustimmen? Diese Frage wird bald geklärt sein. Und bis dahin werden wir den Druck aufrechterhalten, durch Leserbriefe und Bürgerinformation. Es bleibt spannend in Schweinfurt und unser Einsatz hat sich in jedem Fall gelohnt. Allein schon durch all die netten Kontakte, die wir geknüpft haben.