Wirtschaft & Soziales

Extremistisches Gedankengut?

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Die ÖDP ist eine Partei der politischen Mitte. Im Februar 1989 beschloss ihr Bundesparteitag eine klare Abgrenzung gegenüber dem Rechtsextremismus. Eine Abgrenzung gegenüber dem Linksextremismus war aufgrund ihres wertkonservativen Selbstverständnisses nie notwendig. Eine wichtige Frage lautet nun: Ist die Idee des Grundeinkommens der politischen Mitte zugehörig?

von Paul Holmes

 

Ist die Idee eines Grundeinkommens eine linke oder eher eine rechte Idee? Diese Frage lässt sich gar nicht so einfach beantworten. Denn historisch betrachtet reicht die Idee bis ins 16. Jahrhundert zurück, war aber immer der Vorschlag einzelner Querdenker und weniger das Anliegen breiter politischer Bewegungen oder etablierter politischer Lager. Zudem hat sich seit 1989 die politische Landschaft ziemlich verändert und ist viel unübersichtlicher geworden, sodass das früher klare Links-Rechts-Schema heute oft fragwürdig erscheint.

Links

Auch wenn es bei der heutigen Partei „Die Linke“ eine „Bundesarbeitsgemeinschaft Grundeinkommen“ gibt, ist die Einführung eines Grundeinkommens mit dem Selbstverständnis klassischer Sozialisten und Marxisten schwer vereinbar. Das liegt zum einen daran, dass diese die Betonung auf den Arbeiter und die Arbeit legten – um nicht zu sagen: sie irrational vergötzten – und ein Grundeinkommen dieses Selbstverständnis und damit auch die Existenzgrundlage von Arbeiterbewegung und Gewerkschaften unterhöhlt. Zum anderen erhöht ein Grundeinkommen die Freiheit des Einzelnen und mindert somit den Einfluss des Staates auf ihn. Sozialisten wollten aber immer einen starken Staat. Sie misstrauen dem mündigen Bürger und der Familie, setzen stattdessen auf eine stärkere staatliche Kontrolle, Lenkung und Erziehung.

Rechts

Da die Linke sich immer als internationale Bewegung sah, wurde als ihr Gegenpol der Nationalismus gesehen. Ist dies im Zeitalter der Globalisierung, also im Zeitalter international operierender Konzerne, heute noch sinnvoll? Betrachtet man als Hauptwesenszug der Linken die Sehnsucht nach einem starken Staat, dann ist der Gegenpol die Sehnsucht nach einem schwachen Staat. Die ist beim Neoliberalismus am ausgeprägtesten. Doch da der Neoliberalismus nicht als politische Partei daherkommt, sondern sich unter dem Deckmäntelchen der Volkswirtschaftslehre in die Programme von SPD, Grünen, CDU und CSU eingeschlichen hat, ist heute das Erstellen einer politischen Landkarte schwierig.

Nur bei der AfD fällt die Einordnung leicht, denn sie ist sowohl neoliberal als auch nationalistisch. Ihr Nationalismus greift das Unbehagen und die Angst vor dem sozialen Abstieg auf und transformiert sie in Verachtung und Hass gegen bestimmte Gruppen. Es ist interessant zu beobachten, dass es erst innerhalb dieses Denkschemas zutrifft, ein Grundeinkommen als völlig konträr auszuschließen.

Wie aber steht die neoliberale Theorie zum Grundeinkommen? Ihr Vordenker Milton Friedman brachte in den 1970er-Jahren eine „negative Einkommensteuer“ ins Gespräch, die sich allerdings ab einem gewissen Niveau in eine positive Einkommensteuer verwandelt. Und als im März 2016 die schwedische Bank Nordea die Einführung eines „Helikoptergeldes“ von 1.300 Euro pro Monat für alle EU-Bürger propagierte, fand EZB-Chef Mario Draghi dies angeblich „sehr inte-ressant“. Von verschiedenen Unternehmern und Managern kommen in letzter Zeit ähnliche Anregungen. Die Gründe hierfür dürften volks- bzw. betriebswirtschaftlicher Art sein, fallen aber allein deswegen in der Betrachtung nicht aus.

Mitte

Die Einführung eines Grundeinkommens zu fordern, entspringt nicht bestimmten ideologischen Positionen, sondern ist das logische Ergebnis einer nüchternen Betrachtung unserer gesellschaftlichen Realität. Sie ist eine pragmatische Antwort auf die Herausforderungen unserer Zeit – und von daher weder links noch rechts, sondern eine Position der politischen Mitte.

Sachzwang

Wo die „Notwendigkeit“ eines Grundeinkommens herrührt, sei anhand aktueller Entwicklungen in der Baubranche aufgezeigt. Der Autor ist gelernter Bauingenieur und nimmt an Tagungen der Baubranche teil. Diese stellen eine Zukunft dar, die aus wenigen „Entscheidern“ und viel (kapitalisierter) „Assistsoftware“ besteht. Gebäude werden in Fabrikhallen von Robotern vorgefertigt, an die Baustelle gebracht und von sehr wenigen Bauarbeitern zusammengeschraubt. Die Technologie des „Digital-Twinnings“ gestattet vom Schreibtisch aus die wenigen noch erforderlichen Entwurfskorrekturen während des Baus. Die globalen Kapitalinteressen arbeiten sehr eng mit der Bundesregierung zusammen, um die Vollautomatisierung der Bauindustrie – Fachbegriff: „Building Information Modelling“ (BIM) – voranzutreiben. Das Gleiche ist in anderen Industrien weiter fortgeschritten.

Dieser Prozess ist schon im Gange und nicht aufzuhalten. Krankenhäuser und Flüchtlingsunterkünfte sind schon jetzt Fertigbauten. In Großbritannien und Skandinavien hat diese Baumethode bei Familienhäusern einen beträchtlichen Marktanteil gewonnen – Tendenz: steigend. Dabei ist die Bauindustrie in der Übernahme der neuen Technologie unter den Industriezweigen weltweit „Schlusslicht“. Deutschland gilt wiederum im sogenannten „Industrie-4.0-Wandel“ als Nachzügler.

Mensch

Kurz: Wir sind dabei, Homo faber abzuschaffen. Die Großkonzerne der Zukunft dominieren schon jetzt die Landschaft und stehen unter großem Druck, die Rendite zu erhöhen. Die ÖDP als menschenzentrierte Partei weiß, dass sich Homo faber so einfach nicht abschaffen lässt. Um sich aber weiterhin human entwickeln zu können, bedarf es einer Neukapitalisierung, denn die bisherigen Quellen wie z. B. Hedgefonds gehören zusehends der Welt der Vollautomatisierung. Neukapitalisierung heißt: ein Recht auf ein Grundeinkommen.

Es würde handgefertigte Schuhe, reparierbare Waschmaschinen, heimgezüchtetes Gemüse und bezahlbare Maßanzüge hervorbringen, die wegen ihrer Einmaligkeit Robotern und 3-D-Druckern nicht zugänglich sind. Diese Branche krebst derzeit noch herum, weil es ihr an Kapital fehlt. Ihr steht eine Renaissance bevor, wenn Homo faber die Grundbedürfnisse abgedeckt bekommt und somit Startup-Initiatorin, -Initiator, -Mitarbeiterin oder -Mitarbeiter werden kann – dank des Rechts auf Grundeinkommen