Blockchain-Projekte sind energieintensiv und oft nicht gemeinwohlorientiert. – Grafik: geralt/pixabay.com

Gesellschaft & Kultur

Technologie ohne Ethik?

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Innovationen wie Blockchain, künstliche Intelligenz und digitale Plattformen versprechen eine neue Ära der Effizienz, Transparenz und Unabhängigkeit. Doch dienen diese Technologien wirklich dem Gemeinwohl? Oder sind sie Ausdruck eines Fortschritts, der sich zunehmend von ökologischer und sozialer Verantwortung entkoppelt?

von Thomas Löb

 

Die Blockchain-Technologie gilt als Paradebeispiel digitaler Innovation. Sie soll Finanzsysteme dezentralisieren, Lieferketten transparenter gestalten und sogar demokratische Prozesse stärken. Ihre Funktionsweise beruht auf einer dezentralen Datenbank, die von vielen Teilnehmern gemeinsam verwaltet wird. Transaktionen werden in sogenannten „Blöcken“ gespeichert und durch kryptografische Verfahren gesichert – Manipulationen sind dadurch nahezu ausgeschlossen. Der Unternehmer William Mougayar bringt es auf den Punkt: „Die Blockchain symbolisiert eine Machtverschiebung – weg von den Zentren, hin zu den Rändern der Netzwerke.“

Auch Smart Contracts – automatisierte Verträge, die bei Erfüllung bestimmter Bedingungen selbstständig ausgeführt werden – versprechen Effizienz und Unabhängigkeit von menschlichen Vermittlern. Doch was passiert, wenn ein solcher Vertrag fehlerhaft ist? Wer haftet, wenn durch algorithmische Entscheidungen Menschen benachteiligt oder Vermögenswerte verloren gehen? Vitalik Buterin, Mitgründer von Ethereum, mahnt: „Wenn dezentrale Protokolle zentrale Webdienste verdrängen, werden wir echte digitale Souveränität erleben – aber das bringt auch neue Verantwortung.“

 

Neue Machtzentren

Ein kritischer Blick zeigt: Viele Blockchain-Projekte scheitern nicht an der Technik, sondern an der Sinnhaftigkeit. Es fehlt an gemeinwohlorientierten Geschäftsmodellen. Private Blockchains, die von wenigen Akteuren kontrolliert werden, widersprechen dem Grundgedanken der Dezentralisierung und schaffen neue Machtzentren unter dem Deckmantel der Unabhängigkeit. Adam Draper, Gründer von Boost VC, beschreibt die Technologie treffend: „Die Blockchain ersetzt Vertrauen in Dritte durch mathematischen Beweis, dass etwas passiert ist.“ Doch was nützt ein mathematischer Beweis, wenn die Anwendung dahinter keinen gesellschaftlichen Mehrwert schafft?

 

Hoher Energieverbrauch

Besonders problematisch ist der ökologische Fußabdruck vieler Blockchain-Systeme. Das sogenannte Proof-of-Work-Verfahren, wie es etwa bei Bitcoin verwendet wird, erfordert enorme Rechenleistung – und damit einen Energieverbrauch, der mit dem Strombedarf ganzer Nationalstaaten vergleichbar ist. In Zeiten, in denen wir unsere Emissionen drastisch senken müssen, ist das nicht nur ineffizient, sondern schlichtweg unverantwortlich. Nachhaltigkeit darf kein Nebengedanke sein – sie muss das Fundament jeder digitalen Innovation bilden. IBM-CEO Ginni Rometty betont zwar: „Alles, was man sich als Lieferkette vorstellen kann, kann durch Blockchain effizienter gemacht werden – egal ob Menschen, Daten oder Geld.“ Doch Effizienz darf nicht auf Kosten der Umwelt gehen.

 

Unklare Verantwortung

Auch die gesellschaftliche Verantwortung darf nicht aus dem Blick geraten. Blockchain wird oft als „führerlose“ Technologie beschrieben – dezentral, autonom, unkontrolliert. Doch wer übernimmt Verantwortung, wenn etwas schiefläuft? Technologie darf nicht zur Flucht aus der Verantwortung werden. Sie muss eingebettet sein in demokratische Kontrolle, transparente Regeln und ethische Prinzipien.

Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank, warnt: „Coins und Blockchain könnten die Weltwirtschaft ähnlich stark beeinflussen wie das Internet – aber wir müssen die Risiken ernst nehmen.“ Die Geschichte der Dotcom-Blase lehrt uns, dass nicht jede digitale Vision trägt. Wir brauchen keine technologische Spielwiese für Spekulanten, sondern Lösungen für reale Probleme – für soziale Gerechtigkeit, ökologische Stabilität und demokratische Teilhabe.

 

Wertorientierung sicherstellen!

Lasst uns also nicht gegen Technologie sprechen – sondern für eine Technologie, die sich an Werten orientiert! Für eine Digitalisierung, die nicht nur effizient, sondern auch gerecht ist. Für Innovationen, die nicht nur neu, sondern auch notwendig sind. Blockchain kann Teil einer nachhaltigen Zukunft sein – aber nur, wenn sie sich an den Prinzipien ökologischer und sozialer Verantwortung orientiert. Das bedeutet: weniger Energieverbrauch, mehr Transparenz, klare rechtliche und ethische Rahmenbedingungen. Und vor allem: eine Rückbesinnung auf den eigentlichen Zweck von Technologie – dem Menschen und dem Planeten zu dienen.

 


 

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