KI-Grundsatzurteil: GEMA gewinnt gegen OpenAI
27. Dezember 2025
Seit Jahren dringen KI-Konzerne in kulturelle Räume vor und nutzen künstlerische Werke für ihre Profite. Diese Praxis hat nun erstmals ein europäisches Gericht bewertet – und zugunsten der Kreativen entschieden. Das Urteil des Landgerichts München vom 11. November 2025 markiert einen Wendepunkt.
von Thomas Löb
Im Rechtsstreit zwischen der GEMA und OpenAI gaben die Richter den Rechteinhabern in zentralen Punkten Recht. Die US-Firma nutzte Songtexte deutscher Künstlerinnen und Künstler ohne gültige Lizenz – sowohl beim Training ihrer Modelle als auch in den Ausgaben des Chatbots. Damit, so die Vorsitzende Richterin, sei das Urheberrecht verletzt worden. Nach fast einjähriger Klage entschied das Gericht zugunsten der GEMA, die die Lizenzrechte von Tausenden Musikerinnen und Musikern verwaltet. Die Richterin betonte: Die Nutzung geschützter Werke ohne Genehmigung sei nicht nur rechtswidrig, sondern offenbare ein Geschäftsmodell, das auf der Aneignung fremder kreativer Arbeit beruht.
Das Urteil (Az. 42 O 14139/24) betrifft zunächst neun bekannte Liedtexte – darunter Werke von Reinhard Mey, Herbert Grönemeyer, Rolf Zuckowski und Helene Fischer. Doch die Entscheidung hat Signalcharakter: Zum ersten Mal wurde in Europa ein KI-Konzern wegen der Nutzung künstlerischer Inhalte konkret verurteilt. Die zentrale Frage lautet: Dürfen KI-Unternehmen mit geschützten Werken arbeiten, ohne dafür zu zahlen?
Europäische Rechtsstaatlichkeit setzt Grenzen
OpenAI argumentierte, die KI speichere keine Werke, sondern lerne lediglich abstrakte Muster. Das Gericht stellte hingegen klar: Die Modelle können Textwiedergaben erzeugen, die geschützten Werken sehr nahekommen – das Verwertungsrecht ist damit eindeutig berührt. Die Vorsitzende Richterin fand deutliche Worte: Innovation sei wichtig, aber „nicht auf Kosten der Urheber“. Wer Bausteine benötige, müsse sie rechtmäßig erwerben. Das Urteil ist zugleich ein politisches Signal: Europäisches Recht bleibt durchsetzbar – auch gegenüber mächtigen US-Konzernen.
Bereits im November 2024 hatte die GEMA Klage eingereicht. Streitgegenstand war unter anderem das Kinderlied „In der Weihnachtsbäckerei“ von Rolf Zuckowski. Das Gericht folgte der Argumentation der GEMA, dass ChatGPT urheberrechtlich geschützte Texte nicht nur „lernt“, sondern tatsächlich reproduziert.
Prof. Silke von Lewinski, Wissenschaftliche Referentin am Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb, bezeichnete das Urteil als „grundlegend für alle Werke – ob Literatur, journalistische Texte, Musik, bildende Kunst oder Fotografie, die für generative KI genutzt werden“.
Dr. Tobias Holzmüller, CEO der GEMA, erklärte: „Das Internet ist kein Selbstbedienungsladen und menschliche Kreativleistungen sind keine Gratisvorlage. Wir haben heute einen Präzedenzfall geschaffen, der die Rechte der Urheberinnen und Urheber schützt und klärt: Auch Betreiber von KI-Tools wie ChatGPT müssen sich an das Urheberrecht halten.“
Dr. Kai Welp, General Counsel der GEMA, ergänzte: „Mit dem heutigen Urteil wurden zentrale Rechtsfragen für das Zusammenspiel einer neuen Technologie mit dem europäischen Urheberrecht erstmals geklärt. Es ist ein Meilenstein auf dem Weg zu einer fairen Vergütung für Urheberinnen und Urheber in ganz Europa.“
KI-Unternehmen müssen zahlen
Es ist zu erwarten, dass OpenAI das Urteil anfechten wird, möglicherweise auch vor dem Europäischen Gerichtshof. Parallel klagt die GEMA gegen weitere Anbieter wie Suno AI, deren KI-generierte Songs geschützten Werken zum Verwechseln ähnlich sein sollen. Ziel der GEMA ist ein verbindliches Lizenzmodell: Wer KI mit bestehenden Liedern trainieren will, muss dafür zahlen.
„Die Songs unserer Mitglieder sind kein kostenloser Rohstoff für die Geschäftsmodelle generativer KI-Systeme“, betont Holzmüller. „Wer sie nutzen möchte, muss eine Lizenz erwerben und die Urheberinnen und Urheber fair vergüten.“
Technologie im Dienst des Gemeinwohls
Das Urteil berührt einen Kernpunkt der KI-Debatte: Wem gehört kulturelles Schaffen – und wer profitiert von digitaler Automatisierung? Der Fall zeigt exemplarisch, dass demokratische Kontrolle digitaler Großunternehmen notwendig ist. Ohne klare Regeln entscheiden Konzerne selbst, was sie nutzen und wem sie etwas schulden. Europa braucht einen robusten Ordnungsrahmen.
Auch international wächst der Druck: In den USA klagt die „New York Times“ gegen OpenAI und Microsoft, Schriftsteller erhielten Schadensersatz von Anthropic, und auch Meta, Google und Apple sehen sich Verfahren ausgesetzt. Die KI-Revolution steht noch am Anfang – doch der Wildwuchs der vergangenen Jahre endet gerade.
Ausblick
Für die GEMA bedeutet das Münchner Urteil Rückenwind. Für OpenAI bedeutet es steigenden Druck, künftig Lizenzen zu erwerben – wie bereits mit großen Medienverlagen geschehen. Würden KI-Hersteller verpflichtet, Musik- und Textkataloge regulär zu lizenzieren, entstünde erstmals eine nachhaltige Wertschöpfungskette, die nicht auf unbezahlter Aneignung basiert.
Es braucht klare ethische Leitplanken, damit Technologie menschliches Schaffen ergänzt – und nicht ersetzt oder enteignet. Faire Vergütungsmodelle für digitale Nutzung sind überfällig. Das Münchner Urteil ist kein Angriff auf KI, sondern eine Erinnerung daran, dass Fortschritt und Fairness zusammengehören. Es ist ein Moment, in dem die Gesellschaft festlegt, welche Rolle Technologie künftig spielen soll.
Wer wie die ÖDP ökologische, soziale und kulturelle Nachhaltigkeit zusammendenkt, ist der Fall ein starkes Argument, Digitalisierung aktiv politisch zu gestalten: transparent, gerecht und im Sinne des Gemeinwohls.
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Pressemeldung, 11.11.2025
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