
Befreiung – Wovon? Wozu?
9. Mai 2025
Der 8. Mai 1945 hat sehr viele Menschen unmittelbar von Gefangenschaft, drohender Ermordung, Demütigung und Entrechtung befreit. Gleichzeitig geschah Befreiung zu neuem Leben. Die unlöschbaren Bilder und Erfahrungen, die Schmerzen und die Trauer um die vielen ermordeten Verwandten und Freunde blieben. Davon gab es keine Befreiung.
Die Deutschen wurden vom Wahn befreit, einer „Herrenrasse“ anzugehören und als solche das Recht zu haben, andere Menschen zu versklaven und zu töten. Genau das hatte der Nationalsozialismus dem deutschen Volk angeboten: Weltherrschaft durch Terror gegen andere. Die Befreiung von dieser Schrecklichkeit gelang nur von außen und – leider – nur mit Gewalt.
Die Befreiung vom Herrschaftswahn war auch eine Befreiung zur Wachsamkeit: Nie wieder sollte eine solche Gewaltideologie Macht bekommen. Nie wieder sollte im deutschen Namen die Menschheit eingeteilt werden in „wertvoll“ und „unwert“. Das Grundgesetz erklärt die Würde des Menschen zum unmittelbaren Recht eines jeden Menschen. Diese Botschaft ist die wertvollste Frucht der Befreiung.
Die Deutschen wurden auch befreit von der Selbst-Unterwerfung unter den Willen eines Führers und seiner skrupellosen Anhängerschaft. Der totale Gehorsam, ist eine gefährliche Versuchung: Das Leben wird so einfach, wenn man das eigene Gewissen passiv stellt.
Wir wurden befreit zum Programm der Aufklärung: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ Dass dieses Programm in den 1930er-Jahren ebenso rasch vergessen werden konnte wie die religiöse und humanistische Botschaft von Barmherzigkeit und Solidarität gerade mit Schwächeren, ist eine der dringlichsten Warnungen für alle Zeit: Zivilisation ist ein sehr zerbrechliches Gut. Es muss sorgsam gehütet werden.
Noch einmal: Deutschland wurde befreit zur Wachsamkeit!