Klostermühlenmuseum in Thierhaupten, Landkreis Augsburg – Foto: Julia Pietsch

Gesellschaft & Kultur

„Heimatpflege leistet wichtigen Beitrag zum Gemeinwohl“

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Heimat hat viel mit Vertrautheit zu tun. Für Vertrautheit ist aber jeder auch mitverantwortlich. Neugier und Interesse sind die Voraussetzung, damit sich Fremdes in Bekanntes verwandelt und sich eine Beziehung zur Heimat entwickeln kann. Und wie alle Beziehungen muss auch die zur Heimat gepflegt werden. Welche Aufgaben haben dabei eigentlich professionelle Heimatpfleger?

Interview mit Dr. Claudia Ried

 

ÖkologiePolitik: Frau Dr. Ried, warum ist Heimatpflege wichtig?

Dr. Claudia Ried: Wir leben in Zeiten der Globalisierung, aber dennoch lässt sich bei uns seit einigen Jahren ein sehr hohes Interesse an Regionalgeschichte beobachten. Die Menschen möchten wissen, wo sie herkommen bzw. welche historischen Umstände die Gegend, in der sie gegenwärtig leben, in der Vergangenheit geprägt haben. Das Wissen um die Geschichte und die aktuellen Besonderheiten der Region trägt dazu bei, die eigene Heimat näher kennenzulernen, historische Eigenheiten oder Bräuche besser zu verstehen. Und letztendlich schafft die Beschäftigung mit der Heimatgeschichte ein Gefühl der Identität und Zugehörigkeit. Das ist für ein funktionierendes Zusammenleben von immenser Bedeutung und deshalb leistet Heimatpflege immer auch einen wichtigen Beitrag zu unserem Gemeinwohl.

Was wird in der Heimatpflege gemacht?

Ein wichtiger Pfeiler meiner Arbeit ist es, die historische und kulturelle Vielfalt des Landkreises sichtbar und erlebbar zu machen. Das geschieht in vielen verschiedenen Bereichen. So erforschen wir z. B. die Geschichte des Augsburger Landes und seiner 46 Kommunen, beschäftigen uns mit Bräuchen und den bei uns gesprochenen Dialekten oder setzen uns mit unserer Kulturlandschaft und der schwäbischen Baukultur auseinander. Die dabei gewonnenen Ergebnisse präsentieren wir regelmäßig einer breiten Öffentlichkeit und beteiligen uns an unterschiedlichen Veranstaltungsformaten. Darüber hinaus verstehe ich mich auch als Ansprechpartnerin für alle Bürgerinnen und Bürger, Kommunen und Vereine, die sich mit der Geschichte und Kultur des Landkreises auseinandersetzen.

Wo liegen Schwerpunkte Ihrer Arbeit?

Zu meiner Aufgabe als Heimatpflegerin gehört es auch, mich immer wieder mit einschneidenden historischen Ereignissen – wie z. B. Seuchen, Kriegen oder Hungersnöten – auseinanderzusetzen, die den Landkreis Augsburg in der Vergangenheit direkt oder indirekt betroffen haben und die uns zeigen, wie fragil Frieden und Wohlstand sind. Die aktuellen Kriege und Konflikte weltweit führen uns erneut sehr drastisch vor Augen, wie wertvoll und keineswegs selbstverständlich Frieden ist. Ich wünsche mir deshalb, dass die Kultur- und Heimatpflege immer wieder als Schnittstelle zwischen Vergangenheit und Gegenwart dabei unterstützen kann, das Bewusstsein für diese Nicht-Selbstverständlichkeiten zu stärken, damit heute Lehren aus der Geschichte gezogen werden und in konkretes Handeln münden.

Binden Sie auch die Bürgerinnen und Bürger Ihres Landkreises ein?

Bei uns im Augsburger Land gibt es eine ganze Reihe von Menschen, die sich für unsere gemeinsame Heimat engagieren. Sie setzen sich intensiv mit der Geschichte ihres Ortes auseinander, forschen in vielen verschiedenen Archiven, machen ihre Erkenntnisse öffentlich und öffnen so allen Interessierten einen Blick in die Lebensbedingungen früherer Generationen. Dabei ergeben sich immer wieder wunderbare Gelegenheiten für gemeinsame Projekte und Veranstaltungen, die die Heimatgeschichte des Landkreises Augsburg verständlicher und nachvollziehbarer machen. Andere Menschen bringen sich aktiv in den zahlreichen Heimat-, Musik-, Kultur- und Theatervereinen im Landkreis ein, bereichern das Augsburger Land mit den unterschiedlichsten Projekten. Und wieder andere betreuen ehrenamtlich Museen und Sammlungen. Auch hier gibt es ebenfalls immer wieder spannende Kooperationen mit uns, wodurch die Heimatpflege vor Ort lebendig und greifbar wird.

Was können Bürgerinnen und Bürger zur Pflege ihrer Heimat tun?

Ein wichtiger erster Schritt ist, der eigenen Heimat mit einer gewissen Neugierde und Offenheit zu begegnen und sie zwischendurch auch einmal aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Denn das, was wir jeden Tag sehen und was wir seit Langem kennen, nehmen wir oft gar nicht mehr so genau wahr. Da lohnt es sich, einmal nachzufragen: Welche Funktion hatte ein markantes, ortsbildprägendes Gebäude ursprünglich einmal? Weshalb wurde es so und nicht anderes gebaut? Warum werden bestimmte Bräuche genau in unserer Region begangen, welche Funktionen haben sie und wie haben sie sich möglicherweise im Lauf der Jahrzehnte und Jahrhunderte verändert? Welche gesellschaftlichen Umbrüche lassen sich beobachten und mit welchen Widrigkeiten hatten und haben die Menschen in unserer Region zu kämpfen? Bei der Beschäftigung mit diesen Fragen kristallisieren sich oftmals spannende Einblicke in das Leben der vorherigen Generationen heraus, die zudem zeigen, wie unser heutiger Alltag – ohne dass es uns eigentlich überhaupt bewusst ist – häufig noch davon geprägt ist. Wenn Menschen beginnen möchten, sich mit ihrer Heimat vertrauter zu machen, hilft oft ein Besuch in den örtlichen Bibliotheken oder ein Blick ins Internet. Außerdem lohnt es sich, nach Museen Ausschau zu halten, die einen regionalen inhaltlichen Bezug haben. Auch die zahlreichen Heimat- und Kulturvereine, die es vielerorts gibt, bilden wichtige Anlaufstellen, sich mit seiner Heimat näher auseinanderzusetzen. Vielfach bieten sie eine ganze Reihe wertvoller Veranstaltungen an, die Aspekte beleuchten, die manchen Bürgerinnen und Bürgern nicht immer bewusst sind und den Blick für die eigenen Besonderheiten schärfen. Dementsprechend bin ich überzeugt, dass das Wissen um die eigene Heimat, deren Besonderheiten und Liebenswürdigkeiten, aber auch um deren problematische Seiten ein wichtiger Schlüssel zu ihrer Wertschätzung ist. Wenn Bürgerinnen und Bürger dann auch noch bereit sind, ihr eigenes Wissen oder ihre Erfahrungen im ehrenamtlichen Bereich weiterzugeben oder sich in Vereinen zu engagieren, die immer auch einen geselligen und integrativen Aspekt beinhalten, dann leisten sie einen wertvollen Beitrag zur Pflege ihrer Heimat und zur Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts.

Frau Dr. Ried, herzlichen Dank für das interessante Gespräch.

 


Onlinetipps

Kultur- und Heimatpflege im Landkreis Augsburg
www.t1p.de/no60a

Bund Heimat und Umwelt in Deutschland
www.bhu.de