Leserbriefe

Leserbrief zu Günther Hartmanns „Zeitenwende?“

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Paul Holmes aus 80636 München schreibt:

 

Prof. John Mearsheimer (Universität Chicago) wird nicht müde zu betonen, dass das militärische Interesse der USA darin besteht, gegen China eine Containment-Strategie aufzubauen, was nur mit der Zusammenarbeit Russlands möglich ist. China will die Arktis kontrollieren (was ihm geografisch gar nicht zusteht), und es will auch (separat) Trinkwasserreserven erschließen – beides wohl nur mit einer Besetzung Sibiriens umsetzbar. Derzeit passiert das softig durch eine fußläufige Einwanderung von Chinesen.

Februar 2022 fragte ich mich intensiv, warum bei diesen allzu sinnfälligen Gegebenheiten eine Common-Sense-Schlussfolgerung seitens der US-Außenpolitik ausblieb. Warum lassen sie die Chinesen gewähren, während sie den „Erbfeind“ völlig ungeschickt über fünf Ecken militärisch (effektiv seit 2014) angreifen? Brzeziński ist diesbezüglich ein wichtiger Faktor (er ist nur die logische Weiterentwicklung von Hitlers Lebensraumdoktrin, nunmehr seitens der EU), doch für mich überwiegt (nach wie vor) der Alptraum der Amerikaner, der vom Briten Halford MacKinder (1861–1947) formuliert wurde, nämlich die „Heartland Theory of Europe“. Das scheint für das State Department fortan zur Religion geworden zu sein.

Dementsprechend intensiv nisteten sich die Big-Four-Unternehmensberater nach dem Fall der UdSSR in Moskau ein. Aufgabe war der Aufkauf aller russischen Schlüsselindustrien – bevor es die Deutschen taten. In Boris Jelzin fanden sie einen guten Verbündeten, der allerdings auch nichts gegen deutsche Investitionen hatte. Das wollten die Amerikaner aber nicht „diplomatisch“ angehen, sondern mit ordentlich Kapital. Lieber Jelzin nicht mit Wunschzetteln gegen die Deutschen irritieren, sondern die Deutschen kapitalgesteuert am Marktgeschehen ausbremsen. Wohlwollend sah das Helmut Kohl als „Wettbewerb am Marktplatz – und gut so!“ an. Es entstand (besonders in Sibirien) ein zweiter „Wilder Westen“. Adam Smiths „Animal Spirits“ wurden entfesselt. Die deutschen Markterfolge tolerierte man, solange sie keine strategische Relevanz bekamen. Der US-Aussaat fing an, aufzugehen.

Dann tritt Jelzin 1999 zurück und wurde durch den jungen Vladimir Putin ersetzt – für russische Verhältnisse ziemlich geräuschlos. Jetzt war mit der Übernahme russischer Schlüsselindustrien ein jähes Ende. Und das bis 2002 sogar erfolgsversprechend. Die Deutschen mit ihren Autowerkstatt- und Lebensmittelketten konnten nicht verdächtigt werden, die Amerikaner mit ihren Öl-, Gas- und Bodenschatzinteressen jedoch schon. Putin setzte an, mit (ggf. parlamentarisch herbeigeleiteten) legalen Mitteln, die Amerikaner samt ihrer Lakaien (allen voran den Londoner Michail Chodorkowski) zu enteignen. Es gehe doch nicht um „Markt“, es gehe hier um das so konstituierte Russland.

Lange Rede kurzer Sinn: Es geht sowohl den Amerikanern wie auch den Chinesen – auch wenn sie völlig unterschiedlich motiviert sind – um die Kontrolle über die Arktis und über die Bodenschätze Sibiriens inklusive Wasser. Dabei wollen sie die Deutschen ausbremsen.

Der EU geht es nicht darum. Von MacKinder versteht sie nichts. Es geht ihr nur um ihre Obsession „Erweiterung“ – letzten Endes ein rein koloniales Ansinnen. Jetzt also: die Ukraine. Doch dadurch macht sie sich zum nützlichen Idioten der Amerikaner (und ggf. sogar auch der Chinesen). Allenthalben Hauptsache: Russland bezwingen! Ergebnis: Russland kann sich schlussendlich nur atomar verteidigen. Das scheint mir „gewollt“ zu sein. Ich bitte um Gegenargumente!