Symbolbild: ökologisch leben

ÖDP-Politik

„Nachhaltig, ökologisch, demokratisch“

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Als gebürtige Engländerin lebt sie nun schon seit vielen Jahren in Deutschland und hat dadurch einen differenzierten Blick auf unser Land. Wie lässt sich Politik ökologisch gestalten? Was sind ihre Ziele als Bundesvorsitzende der ÖDP. 

Interview mit Charlotte Schmid

 

ÖkologiePolitik: Welche politischen Themen sind Ihnen als Bundesvorsitzende der ÖDP besonders wichtig?

Charlotte Schmid: Die Doppel-Krise aus Klimawandel und Artensterben ist der Grund, warum ich überhaupt in die Politik gegangen bin. Deren Bewältigung ist und bleibt die Kernaufgabe der ÖDP – und auch mein wichtigstes Anliegen. Demokratie, also die Herrschaft des Volkes, muss deutlich mehr sein als die Freiheit, alle paar Jahre Volksvertreterinnen und -vertreter zu wählen. Ich will echte Mitbestimmungsrechte ähnlich dem „Schweizer Modell“ voranbringen und die Macht finanzkräftiger Lobbyisten beschränken. Die ÖDP trägt nicht umsonst das Wort „Demokratisch“ in ihrem Namen! Als Selbstständige ärgere auch ich mich über zu viele komplizierte Vorschriften und die Bürokratie. Einem verbreiteten, wenngleich inzwischen widerlegten, Mythos zufolge sind über 80 % der Welt-Steuerliteratur auf Deutsch – ich will mich daher für eine deutliche Vereinfachung bürokratischer Verfahren einsetzen. Die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich beschäftigt mich immer mehr. Ich will dazu beitragen, dass die breite Masse der Bevölkerung ein gutes, zufriedenes, gesundes Leben führen kann.

Wo sehen Sie Deutschlands größte Stärken?

In Deutschland engagieren sich 29 Millionen Menschen – das sind immerhin 40 % der über 14-Jährigen – ehrenamtlich. Sie leisten ungeheuer viel nicht nur in politischen Parteien wie der ÖDP, sondern auch im Sportverein, bei der Feuerwehr, im Naturschutz, im Gemeinderat usw. Das „soziale Netz“ ist besser als in vielen anderen Ländern. Durch Förderungen wie dem Kurzarbeitergeld haben alle Seiten Vorteile: die Beschäftigten, die ihren Arbeitsplatz behalten können, und die Betriebe, die ihr Personal halten und so in besserer wirtschaftlicher Lage sofort durchstarten können. Das duale System der Berufsausbildung gilt zu Recht weltweit als vorbildlich, weil hier in vielen technischen Bereichen sehr praxisnah gelehrt und gelernt wird. Deutschland steht im internationalen Vergleich wirtschaftlich noch gut da und verfügt über eine extrem hohe Produktivität und eine starke Industrie. Dadurch ist Deutschland unabhängiger als andere Länder von der Zulieferung aus Ländern wie China. Ich weiß, es kommt etwas überraschend, dass die Bundesvorsitzende der ÖDP dies als Stärke beschreibt. Ich betrachte aber diese aktuelle Lage als eine stabile und vielversprechende Basis für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Transformation, die nach Auffassung der ÖDP für eine zukunftsweisende regionale Lebensweise mit kürzeren Lieferketten und Transportwegen notwendig ist.

Und wo hat Deutschland große Schwächen?

Als ich vor mehr als 20 Jahren nach Deutschland kam, hatte das Handwerk hier einen wesentlich höheren Stellenwert als heute. Das hat sich leider grundlegend geändert. Gleiches gilt für Pflegeberufe. Die Folge sind Personal- und Handwerkermangel. Deutschland darf nicht ein Land der Betriebswirtschaftler werden, wo andere Kompetenzen als die Gewinnoptimierung als minderwertig gelten. Das deutsche Schulsystem ist katastrophal. Kinder lernen in den normalen Schulen hauptsächlich, sich anzupassen. Werkzeuge und Wissen zur kreativen Problemlösung werden leider kaum vermittelt. In einer sich radikal verändernden digitalisierten Welt mit ganz neuen Jobs und vor allem in einer Welt, die unter den noch unbekannten Folgen der Klima- und Artenkrise leidet, wird diese Kreativität aber wichtiger denn je sein. In den vergangenen Jahrzehnten hat die Politik viel zu wenig auf dezentrale Entwicklungen gesetzt und den ländlichen Raum völlig vernachlässigt. Ein Beispiel dafür ist das marode Schienennetz, die Bahn ist schließlich das umweltfreundlichste Verkehrsmittel. In Deutschland werden nicht einmal 20 % der Güter mit der Bahn transportiert. Entscheidend für die Innovationskraft sind die vielen kleinen oder mittleren Unternehmen, nicht die „großen“. Von den vielen Subventionen profitieren aber in erster Linie große Firmen und Konzerne, während innovative kleine Wettbewerber weitgehend leer ausgehen. Ein Großteil unserer derzeitigen Probleme sind Folgen einer verfehlten Strukturpolitik: Wir haben in einigen Ballungszentren wie der Metropolregion München seit Jahren explodierende Immobilienpreise und sehr hohe, für immer mehr „normale“ Menschen unbezahlbare Mieten. Gleichzeitig bluten ganze Landstriche regelrecht aus, es wandern gerade Jüngere massiv ab, Wohnungen und Häuser stehen immer öfter leer, Bauernhöfe werden aufgegeben. In Deutschland herrscht noch immer ein sehr konsumorientiertes Verständnis von Wohlstand und Lebensqualität: Der dicke SUV vor der Tür, häufige Flugreisen, Skifahren auf künstlich beschneiten Hängen … All das sollte längst der Vergangenheit angehören! Bei unserem Arbeits- und Freizeitverhalten muss der „ökologische Fußabdruck“ mit einer naturverträglicheren Lebensweise eine viel größere Rolle spielen. Wir müssen die Wirtschaft transformieren, damit sie ökologischer wird. Heute spielen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder Naturgenüsse, wie Waldbaden und andere Naturerlebnisse, eine immer bedeutendere Rolle. Dieses Wohlstandsverständnis muss noch viel mehr durchdringen und damit die Verabschiedung der Konsumorientierung einleiten. Und niemand darf die entsetzlich hohe CO2-Bilanz der Deutschen vergessen: Mit 8,09 Tonnen pro Person und pro Jahr (Zahlen von 2021) sind wir Europameister in der Klimaschädigung. Noch dazu sinkt unser Flächenfraß viel zu langsam und wir kommen allmählich in eine Zeit, in der Wasserknappheit ein großes Thema wird. Das Artensterben wurde zwar in die Titel katapultiert, als „Rettet die Bienen“ in Bayern in aller Munde war, an der Gesamtlage hat sich aber nichts gebessert.

Welche Ziele wollen Sie als Bundesvorsitzende in den nächsten Jahren erreichen?

Die ÖDP hat ein herausragend gutes Programm, in dem sehr viel Herzblut steckt und das wir auf wissenschaftlicher Grundlage erarbeitet haben. Es ist – noch – viel zu wenig bekannt. Um es umzusetzen, sind gute Wahlergebnisse auf allen Ebenen nötig. Hierfür ist eine konzentrierte Stärkung der Kommunalpolitik und der aktiven Parteibasis notwendig. Jede Stimme für die ÖDP erhöht den Druck auf alle anderen Parteien, eine nachhaltigere und ehrlichere Politik zu betreiben. Um unsere Ziele schneller zu erreichen, arbeitet der Bundesverband mit Hochdruck an strukturellen Verbesserungen. Überall und jeden Tag sieht man, wie unehrliche Politik das Vertrauen in die Demokratie unterhöhlt. Ich möchte dazu beitragen, dass die ÖDP für einen transparenten, besseren Weg bekannt wird!

Welche Bedeutung hat das Ökologische in der ÖDP?

Die ÖDP ist nicht nur vom Namen her, sondern auch Kraft ihres Grundsatzprogramms die einzige ökologische Partei! Es ist so einfach. Es geht nicht „nur“ darum, Bienen zu retten, sondern darum, einen ganzheitlichen Blick zu bewahren: Wie funktioniert eine Welt, wenn es nach ökologischen Prinzipien laufen soll? Wir in der ÖDP streben Konsequenz an. Mit Spendengeldern aus großen industriellen Unternehmen würden wir sicherlich viel für unsere Umwelt schaffen können, aber wir sind nichtsdestotrotz fest davon überzeugt, dass ungekaufte politische Entscheidungen ganz grundsätzlich sind für eine effektive ökologische Politik. Die Aussage, dass es ein ökologischer Gewinn ist, statt sechs Dörfern nur eines dem weiteren Braunkohleabbau zu opfern, ist für die ÖDP undenkbar – zumal laut Wissenschaftlern diese Kohle für die Versorgungssicherheit nicht benötigt wird. Für die meisten Menschen ist es am einfachsten, die Ökologie im Sinne von Naturschutz zu verstehen. Und so kann man es natürlich auch ausdrücken! Unser Grundsatzprogramm führt uns immer wieder zurück zu unseren Grundprinzipien, egal ob wir über Bildung, Wirtschaft, Verkehr oder Soziales reden. Wir haben immer den Schutz der Natur im Visier. Vor allem ist es wichtig, dass sich der Mensch nicht zu sehr von „der Natur“ abkoppelt: Wir sind ein Teil unserer Welt und ein Teil unserer Natur. Jede Naturzerstörung ist daher eine Selbstschädigung. Das Wort „Ökologie“ hat aber etwas, was das Wort „Naturschutz“ nicht hat: Es geht um unsere Lebensgrundlagen, unser „Zuhause“ oder „oikos“. Das Konzept des Ökologischen steht daher im Mittelpunkt unseres gesamten Denkens und Tuns.

Frau Schmid, herzlichen Dank für das interessante Gespräch.