Statt Chemiekeulen einzusetzen sollten wir die in natürlichen Systemen steckenden Energien nutzen. – Foto: Richard Kaiser

Landwirtschaft & Ernährung

Mit der Natur arbeiten

Diesen Beitrag teilen

Seit vier Jahrzehnten bereitet die Varroamilbe unserer Honigbiene große Probleme. Sie schwächt erwachsene Bienen und ihre Brut, indem sie diese „anzapft“, und dabei überträgt sie für diese oft tödliche Krankheiten. Die chemischen Mittel, die zur Varroa-Bekämpfung entwickelt und eingesetzt wurden, verschärften das Problem.

von Richard Kaiser

 

Mit hoher Wahrscheinlichkeit gelangte die Varroamilbe in den 1970er-Jahren mit dem „Re-Import“ von Bienenvölkern aus Asien nach Deutschland. Die asiatische Honigbiene kommt mit dem Parasiten gut zurecht, denn sie hat im Zuge ihrer Evolution wirksame Abwehrmechanismen entwickelt. Ohne menschliches Zutun würde dies auch unsere Honigbiene in einem langen Anpassungsprozess schaffen. Während dieser Zeit wären unsere Landschaften jedoch nur mit einer extrem geringen Anzahl von Bienenvölkern besiedelt – und das hätte verheerende Folgen.

So war es vernünftig und verständlich, die Varroamilbe anfangs chemisch zu bekämpfen, um möglichst viele unserer Honigbienenvölker am Leben zu erhalten. Fatal ist, dass dies bis heute das Standardverfahren blieb.

Chemie wurde Teil des Problems

Chemische Keulen sind allenfalls in kurzzeitigen Notsituationen sinnvoll. Bei der Varroa-Bekämpfung erweisen sie sich zunehmend als Sackgasse. Die für das Absterben eines Bienenvolkes erforderliche Anzahl an Varroamilben sank: Kamen Anfang der 1980er-Jahre Bienenvölker mit 10.000 Milben meist noch gut über den Winter, liegt der kritische Wert heute bei etwa 3.000. Die Bienen sind offensichtlich immer empfindlicher gegen den Milbenbefall geworden. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, wurde die chemische Bekämpfung intensiviert: Vor 40 Jahren reichte pro Jahr ein Chemieeinsatz im Winter, heute braucht es mindestens einen zusätzlichen im Sommer.

Da drängt sich die Frage auf, ob die chemische Bekämpfung nicht ein Teil des Problems ist. Ihr jahrzehntelanger ständig gestiegener Einsatz wirkte bei den Bienen selektierend: Begünstigt wurden nicht diejenigen, die besonders robust gegenüber der Milbe und die von ihr übertragenen Krankheiten waren, sondern diejenigen, die die Wirkstoffe gut vertrugen. Und auch bei den Milben setzten sich diejenigen durch, die sie am besten wegstecken konnten.

Zudem schädigen die eingesetzten Chemikalien nicht nur die Gesundheit der Bienen, sondern – vergleichbar mit einem Medikament bei uns Menschen, das als Nebeneffekt die Darmflora stark stört – auch die im komplexen Bienenstaat helfenden Mikroorganismen. Die sind als natürliches Abwehrsystem wichtig.

Erfolgreicher Weg ohne Chemie

Aufgrund der aufgezeigten Entwicklung habe ich vor 20 Jahren begonnen, einen Weg zu einer möglichst chemiefreien Bienenhaltung zu finden – mit zunehmendem Erfolg. 2021 unterstützte ich nur noch ein Drittel meiner Bienenvölker mit chemischen Varroa-Bekämpfungsmitteln. Die Behandlung fand im Spätherbst mit 15-prozentiger Milchsäure statt. In fast allen Fällen reichte eine einmalige Anwendung dieser vergleichsweise milden organischen Säure aus.

Der bessere Weg ist wohl meist der, die in natürlichen Systemen steckenden Energien zu erkennen und zu nutzen – und nicht gegen die Natur, sondern mit ihr zu arbeiten.

 

Interessierte Imkerinnen und Imker können das Konzept beim Autor kostenfrei anfordern.