Je mehr Menschen Ökonomie und Ökologie verbinden, desto mehr Menschen werden sich danach orientieren. – Foto: tdahl/pixabay.com

Wirtschaft & Soziales

„Ohne Sinn keine Motivation, ohne Motivation kein Handeln“

Diesen Beitrag teilen

Profitgier und Einfluss „der Wirtschaft“ gelten als eine Hauptursache, warum der Kampf gegen die Klimaerwärmung so halbherzig geführt wird. Doch „die Wirtschaft“ gibt es nicht, nur einzelne Unternehmen. Und manche Unternehmen agieren bereits ökologisch vorbildlich, andere sind auf dem Weg dorthin. Ein Münchener Unternehmensberater weiß, woran es hakt und wie es geht. 

Interview mit Axel Nauert

 

ÖkologiePolitik: Herr Nauert, wie verändern wir unser Wirtschaftssystem?

Axel Nauert: Ich wage die Prognose, dass es in 10 Jahren nur noch nachhaltige Unternehmen geben wird. Rendite ist nicht das Ziel, sondern die logische Konsequenz einer richtigen Ausrichtung. Das hat auch das Zukunftsinstitut als Megatrend erkannt. Ökonomie wird die Ökologie suchen und es gilt das Prinzip der sozialen Gültigkeit. Je mehr Menschen Ökonomie und Ökologie verbinden, desto mehr glauben daran, desto richtiger wird es und desto mehr Menschen orientieren sich danach. Wo viel Geld hinfließt, da fließt noch mehr Geld hin.

Und warum tun sich dann noch viele Unternehmen so schwer?

Man braucht als Entscheider eine richtig tiefe Überzeugung. Nur dann gelingt die Transformation, weil die Widerstände, auch im eigenen Unternehmen, und die Hindernisse in der Branche groß sind. Ich habe einige Fallbeispiele in meinem neuen Buch aufgezeigt, damit man sich darüber klar werden kann, wo sie liegen. Das sollte man beachten, wenn man die neue Ausrichtung seines Unternehmens anpackt.

Was, wenn es doch nicht zur Transformation kommt?

Alle Anzeichen deuten auf Veränderung. Nennen wir es „Zukunftskunst“. Hier werden immer 4 Schritte hin zur Transformation durchlaufen. Zunächst einmal gibt es neue Ideen, die abgelehnt werden. Dann kommt der Dialog, der nicht richtig gelingen will. Darauf folgt als Konsequenz die eruptive Energie als dritter Schritt. Wenn wir auf die Fridays-for-Future- und Extinction-Rebellion-Bewegungen schauen, dann sind wir mitten in der Eruption. Meine Prognose: Es wird noch erheblich eruptiver werden, ehe wir dann wirklich zur Transformation kommen. Aber sie wird kommen.

Wieso benötigen wir jetzt Eruptionen und machen es nicht gleich?

Die Gehirnforschung hat festgestellt, dass das Gehirn per se gerne faul ist und etablierte Routinen nutzt. Es schaltet am liebsten auf den eingespielten Energiesparmodus. Deshalb will es sich nicht so gerne mit unangenehmen Themen wie dem Ende der Wachstumswirtschaft oder dem Klimaschutz beschäftigen. Die sind schon fast überkomplex, wenn wir alle Variablen gleichzeitig bedenken wollen. Da wendet sich das Gehirn ab.

Wie können wir das Gehirn doch zum Handeln anregen?

Veränderung ist immer ein Lernvorgang. Wenn das Gehirn lernen soll, müssen wir etwas tun, was das Gehirn mag und bei dem in den Gehirnstrukturen etwas hängen bleibt. Es geht darum, für konkrete und positive Ergebnisse zu sorgen, die sich mit dem Thema „Veränderung“ oder „Transformation“ verankern können. Und wir brauchen auch mehr Zeit, um uns klar zu werden, wozu wir etwas tun. Ohne Sinn gibt es keine Motivation, ohne Motivation kein Handeln.

Wie wichtig sind die dahinterstehenden Werte?

Als Neuroforscher ist für mich der erste Schritt, mit jedem Menschen Klarheit über seine Werte zu erzielen. Denn wenn ich mich mit meinen Werten beschäftige und diese emotional wirken lasse, dann komme ich an den Punkt, wo ich eine Differenz zwischen meinen Werten und meinem Handeln entdecke. Das ist der entscheidende Motivationsmoment. Wenn wir dann noch fragen: Wie willst du in den nächsten 3 Tagen, 30 Tagen und 3 Monaten deine Werte nach außen in der Welt real werden lassen? Dann entstehen Aktionsideen. Das ist der entscheidende Beginn für Transformation. Das dauert etwas und funktioniert gut.

Wieso braucht es dafür Zeit?

Unsere Kommunikationsgeschwindigkeit ist zu hoch. Da bleibt nichts dauerhaft hängen. Es ist nachgewiesen, dass wir uns mindestens 5 Stunden intensiv mit einer neuen Sache beschäftigen müssen, damit sich etwas im Gehirn gut verankern und das Gehirn umbauen kann. Das kennen wir aus dem Sport oder der Musik. Man nennt das die „Neuroplastizität des Gehirns“. Das funktioniert das ganze Leben lang. Und das ist doch erfreulich.

Wieso kaufen wir eigentlich trotz des vielen Wissens noch immer unnötige Produkte?

Ich sehe darin vor allem einen Ausgleich für einen emotionalen Mangel. Ein spontaner Kauf hat oft keine lange Wirkung im Gehirn, manchmal nur 17 Sekunden. Leider lernt das Gehirn auch ungünstige Verhaltensweisen, wenn wir uns nicht bewusst über unsere Wertehaltung fokussieren und auch definieren. Die Reaktionsweise des Gehirns wird ja angesprochen durch professionelle Werbeimpulse. Das Gehirn reagiert auf Worte wie „Sonderangebot“, „günstig“ oder „Rabatt“. Gehen wir dagegen in ein Naturerlebnis, in eine gelingende Beziehung, in die Teilnahme, werden wir viel weniger konsumieren müssen.

Wieso das?

Bei einem Erlebnis in der Natur, in einer Beziehung, die ich als wertvoll erlebe, im Vertieftsein in einer für mich wichtigen Tätigkeit, in der Themen-Realisierung mit anderen Menschen werden Dopamin und Oxytocin ausgeschüttet, die ein wohliges, motivierendes Gefühl verursachen und uns innerlich nähren, auch im Sinne von „zugehörig fühlen“.

Was ist, wenn ich mal negative Gefühle habe?

In diesem Fall sollten wir uns auf das Jetzt konzentrieren. Ich empfehle die Frage: „Was stört mich jetzt, genau in dieser Sekunde?“ Das Interessante ist dann, dass die negative Emotion verschwindet. Es ist nämlich stets ein Vergleich, ein Gedankengebäude, etwas das weit weg ist, eine vergangene Situation, die den Auslöser für Unzufriedenheit darstellen. Als Neuroforscher nenne ich das „den Trigger ausschalten“.

Wie machen Sie es, sich jeden Tag richtig in die Welt zu stellen?

Ich versuche, mich mit Yoga und Meditation zu fokussieren, mich täglich zu verbinden mit diesem wunderschönen, einzigartigen Raumschiff Erde. Ich will mit den Menschen die fehlende Bedienungsanleitung für das Raumschiff Erde erstellen. Das ist mein Fokus.

Herr Nauert, herzlichen Dank für das interessante Gespräch.

Das Interview führte Thomas Prudlo.

 


Buchtipp

Oliver Specht, Axel Nauert
Panetproofed
Wie Sie Ihr Unternehmen nachhaltig und erfolgreich in die Zukunft führen
Redline, August 2020
272 Seiten, 19.99 Euro
978-3-86881-814-7