
Ein zivilisatorischer Bruch, kein politisches Add-on
20. August 2025
Die Rechte der Natur sind kein neuer Unterpunkt in der Umweltpolitik. Sie sind eine Absage an die Idee, dass die Natur nur dann etwas zählt, wenn sie uns nützt. Sie markieren einen Bruch mit einem 2.000 Jahre alten Rechtsverständnis, das die Natur zum Objekt menschlicher Verfügung gemacht hat – in Philosophie, in Theologie, in Ökonomie und im Recht.
von Hans Leo Bader
Wer heute die Rechte der Natur fordert, fordert damit auch die Weiterentwicklung unseres gesamten normativen Systems. Es geht nicht um Artenschutzparagrafen, sondern um die Frage: Kann das Recht die Mitwelt als eigenständig anerkennen – jenseits von Nutzen, Eigentum und Verwertbarkeit?
Vom Eigentums- zum Beziehungsrecht
Das bestehende Rechtssystem kennt nur Subjekte mit Rechten – Menschen, Unternehmen, Staaten – und Objekte, über die verfügt wird. Die Natur ist in dieser Ordnung ein Ding. Was zählt, ist ihr Wert für uns. Genau das steht im Zentrum der ökologischen Katastrophe.
Ein ökologisches Recht dagegen beginnt mit Beziehung. Es fragt: Welche Verantwortung ergibt sich aus der Tatsache, dass wir Teil eines verletzlichen, lebendigen Ganzen sind? Wie lässt sich diese Verantwortung in Normen gießen, ohne sie zu banalisieren?
Die Rechte der Natur sind keine Esoterik. Sie sind ein Versuch, das bestehende System aus Eigentum, Wachstum und Ressourcennutzung so zu überschreiben, dass Gerechtigkeit auch über die Artengrenzen hinaus möglich wird.
Das Recht ist nicht neutral
Wer behauptet, das Recht sei neutral, übersieht: Das Recht ist immer Ausdruck eines Weltbilds. Und dieses Weltbild ist derzeit anthropozentrisch: Der Mensch steht im Mittelpunkt. Die Rechte der Natur stellen dieses Dogma infrage – nicht aus ideologischen Gründen, sondern weil es ökologisch nicht mehr trägt.
Der Bruch ist notwendig
Die Klimakatastrophe, das Artensterben, das Überschreiten planetarer Grenzen – sie zeigen: Die Systeme, die uns bis hierher gebracht haben, reichen nicht mehr aus, um uns weiterzubringen. Wir brauchen einen Bruch. Nicht radikal im Sinne von laut, sondern radikal im Sinne von grundlegend.
Die Rechte der Natur sind genau das: ein leiser, aber tiefer Bruch mit einer Weltsicht, die den Planeten zur Bühne menschlicher Interessen gemacht hat. Sie sind kein Anhang. Sie sind ein Neubeginn.
Onlinetipps
Interview mit Hans Leo Bader
„Das Recht muss ökologisiert werden“
ÖkologiePolitik, 11.12.2024
www.t1p.de/taks5
Hans Leo Bader
Rede vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen
YouTube, 24.04.2023
http://y2u.be/wbrW8R5a6sw
Hans Leo Bader
Rechte der Natur
Das Volksbegehren
https://gibdernaturrecht.muc-mib.de