Auf dem mobilen „Schwätzbänkle“ konnten sich Bürger zwanglos mit ihrem Bürgermeister unterhalten. – Foto: Gem. Denzlingen

Kommunalpolitik

„Der direkte Kontakt zu den Bürgern ist entscheidend“

Die baden-württembergische Gemeinde Denzlingen liegt rund 10 km nördlich von Freiburg im Breisgau und weist 14.000 Einwohner auf. Das Amt des Bürgermeisters hatte von 2009 bis 2025 ein ÖDP-Politiker inne.

Interview mit Markus Hollemann

 

ÖkologiePolitik: Herr Hollemann, warum sind Sie dieses Jahr nach 16 Jahren als Bürgermeister von Denzlingen nicht mehr angetreten?

Markus Hollemann: Nach reiflicher Überlegung habe ich mich entschieden, mit 53 Jahren ein neues Kapitel zu beginnen und mich neuen Herausforderungen zu stellen. Die frühe Bekanntgabe meiner Entscheidung im September 2024 sollte ausreichend Zeit für eine gute demokratische Kandidatenauswahl bieten. Auch wenn ich noch viele Projekte gerne persönlich weiter vorangetrieben hätte und die Menschen sowie Vereine im Ort mir sehr am Herzen liegen, spüre ich, dass es Zeit für Veränderungen ist. Politisch bleibe ich weiterhin aktiv als Kreis- und Regionalrat und engagiere mich ehrenamtlich, z. B. als Vorsitzender der „Stiftung für Ökologie und Demokratie e. V.“ sowie als Aufsichtsratsvorsitzender der „Denzlinger BürgerEnergiegenossenschaft eG“.

Wie haben Sie es 2009 geschafft, die Bürgermeisterwahl zu gewinnen?

Der Schlüssel im Wahlkampf war täglich mehrmals der direkte Kontakt zu den Bürgern an unterschiedlichen Stellen im Ort, also Termine von morgens mit Rosen vor dem Kindergarten bis abends in den Kneipen, rasche Antworten auf Anrufe und E-Mails, Fleiß und Ausdauer, ansprechende und frische Wahlwerbung, ein Unterstützerkreis, Freunde, die tatkräftig mitgeholfen haben, und der Rückhalt meiner Familie. Ganz wichtig war viel Zuhören und das Eingehen auf die Anliegen der Menschen, ohne „Wunder“ zu versprechen.

Was haben Sie in den 16 Jahren als Bürgermeister alles verändern können?

In den Jahren haben Gemeinderat und Rathausverwaltung zahlreiche Projekte realisiert, die sehr wichtig waren für Denzlingen. Sie prägen das Leben und das Miteinander nachhaltig positiv. Einige dieser Vorhaben, wie die Neugestaltung des Areals „Grüner Baum“ mit einer Straßenverbindung in beide Richtungen zwischen Rathaus und Bahnhof, die Ortsmitte mit dem Bürgerwunsch Nr. 1, einem Drogeriemarkt, der Bau des Rettungszentrums und der Ballsporthalle sowie die Begründung der Städtepartnerschaft mit Konstancin-Jeziorna in Polen werden noch lange Bestand haben.

Auf was sind Sie besonders stolz?

Dankbar und ein wenig stolz bin ich auf die Re-Kommunalisierung unseres Gas- und Stromnetzes, die Gründung der „BürgerEnergiegenossenschaft“, den Realisierungswettbewerb „Käppelematten/Unter’m Heidach“ verbunden mit dem Erwerb zahlreicher Grundstücke und der nun startenden städtebaulichen Entwicklung sowie auf unsere Maßnahmen im Bereich des sozialen kommunalen Wohnungsbaus. Und auf den enormen Ausbau der Kindertagesbetreuung – nicht nur für Unter-3-Jährige, sondern mit Wald-, Natur- und Hofkindergärten. Nahezu jedes dritte Kind im Vorschulbereich wird natur-/umweltpädagogisch betreut – ein Spitzenwert! Als im Jahr 2023 ausgezeichnete Klimaschutzvorreiterkommune Baden-Württembergs haben wir innovative und deutschlandweit beachtete Förderprogrammbausteine ins Leben gerufen, das kommunale Klimaschutzziel „Klimaneutralität 2035“ gesetzt und PV-Freiflächenentwicklung gestartet. Anlauf-, Informations- und Vermittlungsstelle für bürgerschaftliches Engagement, Klimaschutzbeirat, Neubürgerempfang, Bürgerrat, Tag der Vereine, Heiligabend in Gemeinschaft, Bürgerpreis, Gemeindeentwicklungsprozess 2030, offenes Bücherregal, Anschlagtafeln für Vereine, insektenfreundliche Blumenwiesen und Schwammstadtinseln, Rahmenplan Hauptstraße, Bürgerstiftung – alle diese neuen Initiativen tragen mit dazu bei, Denzlingen auch für kommende Generationen lebenswert zu gestalten. Ein Beleg dafür, dass vieles in Denzlingen gut läuft, sind die Auszeichnung als „nachbarschaftlichster Ort Deutschlands“ im Jahr 2019 und der sehr bemerkenswerte erste Platz beim „BZ-Check zur Lebensqualität“ der „Badischen Zeitung“ im Jahr 2023. Und dieses Jahr im Juni der Gewinn des „KfW-Award Leben“ mit unserem innovativen kommunalen Nahwärmenetz. Die feierliche Auszeichnung fand im Rahmen des Deutschen Kommunalkongresses in Berlin statt. Fast 800 Vertreter von Städten und Kommunen sowie der Politik waren anwesend. Es gab sogar Sondersendungen dazu im Fernsehen. Hinter all diesen Erfolgen stecken viel Arbeit, langer Atem und überdurchschnittliches Engagement von vielen.

Was sind die wichtigsten Herausforderungen, die auf unsere Kommunen zukommen?

Die finanzielle Lage zwingt viele Kommunen an ihre Grenzen, da Pflichtaufgaben nicht mehr vollumfänglich erfüllt werden können. Die Ausgaben steigen durch Kinderbetreuung, Integration und Klimaschutz bei stagnierenden oder schrumpfenden Einnahmen. Hier muss das Konnexitätsprinzip konsequent umgesetzt werden: Bund und Länder müssen für die ihnen übertragenen Aufgaben die erforderlichen Mittel bereitstellen, damit Kommunen handlungsfähig bleiben.

Welche Tipps können Sie ÖDP-Kreisverbänden geben, um kommunalpolitisch noch erfolgreicher zu sein und noch mehr Einfluss auszuüben?

Der direkte Kontakt zu Bürgern ist entscheidend, ebenso der Aufbau von Netzwerken und kontinuierliche Medienarbeit. Veranstaltungen mit interessanten – nicht nur aktuellen – Themen ziehen Teilnehmer an. So und über persönliche Kontakte lassen sich Interessenten einbinden, Mitglieder motivieren, Arbeit möglichst auf mehrere Schultern verteilen. Alles Punkte, die bekannt sein sollten – aber oft fehlen die Aktiven. Die Basis von erfolgreichen Verbänden ist aus meiner Erfahrung zumeist eine vertrauensvolle, oft von Freundschaften geprägte Zusammenarbeit im Vorstand.

Im November 2024 wurden Sie in der „Stiftung für Ökologie und Demokratie“ zu ihrem Vorsitzenden gewählt. Was haben Sie sich vorgenommen?

Hans-Joachim Ritter, mein erster ÖDP-Bundesvorsitzender, hat mir nach 32 Jahren den Vorsitz übergeben – eine große Ehre. Er und seine Frau Hildegard prägten das Wirken der gemeinnützigen, überparteilichen Organisation als Motor, Vordenker und Verantwortlicher zahlreicher hochkarätiger Bildungsreisen, wegweisender Projekte, z. B. zur Klimawandelanpassung in Kommunen, Tagungen wie der „Werkstatt Demokratie“ im März oder der Vergabe der bedeutenden Preise „Goldener Baum“, „Ökologia“ und des „Europäischen Friedenspreises“. Hans-Joachim Ritter arbeitet weiter im Vorstand mit, wofür ich dankbar bin. Als von der „Bundeszentrale für politische Bildung“ anerkannte Organisation planen wir, die politische Bildungsarbeit weiter auszubauen. Ein zentrales Thema ist dabei die Fortentwicklung der sozialen Marktwirtschaft hin zu einer ökologisch-sozialen Marktwirtschaft, um eine dauerhaft zukunftsfähige Wirtschaftsordnung zu fördern. Jährlich am 12. September laden wir zu einer Tagung anlässlich des „Tages der Ökologisch-Sozialen Marktwirtschaft“ ein.

Bietet die Stiftung auch Schulungen zur Kommunalpolitik an?

Konkrete Schulungen sind aktuell noch nicht geplant, aber grundsätzlich könnten wir das Angebot erweitern, um die Kompetenzen in Kreisverbänden und bei Mandatsträgern zu stärken.

Herr Hollemann, herzlichen Dank für das interessante Gespräch.

 


Onlinetipps

KfW Award Leben
Energiewende in Denzlingen
YouTube, 01.09.2025
www.t1p.de/onmtx

Mirjam Stöckel
Klimaschutz – Wie die Gemeinde Denzlingen zum Vorreiter wurde
Deutschlandfunk Kultur, 10.06.2025
www.t1p.de/i2p4j

Tilman Baur
Denzlingen gewinnt KfW Award Leben 2025 für innovatives Wärmenetz
Die Gemeinde, 10.06.2025
www.t1p.de/a87as

KfW
Innovative Impulse für die Kommunen von morgen
Pressemitteilung, 03.06.2025
www.t1p.de/6yi81

München mit Ö
So läuft’s wirklich im Rathaus: Bürgermeister Hollemann packt aus
YouTube, 19.03.2025
www.t1p.de/aks5c

Markus Hollemann
Persönliche Erklärung zur Bürgermeisterwahl 2025 in Denzlingen
25.09.2024
www.t1p.de/ywq03


 

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