Leserbriefe

Leserbrief zum Interview mit Christian Felber vom 18. Juni 2025

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Simon Kirschner aus 85080 Gaimersheim schreibt:

Noch immer werden massive Verstöße gegen Grundrechte zu wenig angeprangert, die dazu führen, dass die großen Parteien in ihrem Bestand gesichert bleiben und kleine Parteien klein bleiben.
Ganz offensichtlich verstößt die Fünf-Prozent-Sperrklausel gegen Art 3 Abs. 3 des Grundgesetzes, wonach niemand wegen seiner politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden darf.
Diese Sperrklausel kam nach einem Beschluss des Deutschen Bundestages vom 25.6.1953 in ein neues Bundeswahlgesetz. Das häufig vorgebrachte Argument einer leichteren Regierungsbildung darf nicht höher bewertet werden als ein Grundrecht. Ein Vielparteienchaos, was oft in Anlehnung an die Weimarer Republik als Argument für die Sperrklausel genannt wird, ist unsachlich, weil es damals keine entsprechenden gesetzlichen Sicherungen gab, wie wir sie jetzt in Artikel 21 Grundgesetz finden. Auch hat das BVerfG anlässlich des SRP-Verbotes von 1952 „die Chancengleichheit für alle politischen Parteien“ als ein Wesenselement einer freiheitlich demokratischen Grundordnung festgelegt.
Auch wenn laut Grundgesetz keine Person wegen seiner politischen Einstellung benachteiligt werden darf und freie und gleiche Wahlen gewährleistet sein müssen, hat die 5-%- Sperrklausel schon seit Langem zu Unrecht viele kleine Parteien wie ihre Wähler/innen grob benachteiligt. Bei einem Scheitern an der 5-%-Hürde kommen ihre Stimmen sogar den großen Parteien zugute. Damit haben diese Parteien selbst für eine gewisse Bestandssicherung gesorgt und neue Parteigründungen erheblich erschwert. Außer den Grünen wie der AfD und der BSW gab es seit dieser Zeit keine Partei, die diese Hürde überwinden konnte.
Mit der genannten Sperrklausel kommen häufig unehrliche oder verzerrte Wahlergebnisse heraus, wenn man aus Angst vor der verlorenen (besser missbrauchten!) Stimme gar nicht wählt oder sich für einen faulen Kompromiss entscheidet? Einfach so weiterzumachen und sich mit grundrechtswidrigen Wahlsystemen abzufinden, heißt, die Machtstrukturen der etablierten Parteien zu unterstützen und Neuansätze in der Parteienlandschaft zu verhindern.
Auf kommunaler, wie europäischer Ebene, ist das Fallen von Sperrklauseln längst ein Erfolg. Mit dem Wegfall der 5-%-Hürde kämen ehrlichere Wahlergebnisse zustande. Die etablierten Parteien werden ihre Privilegien nicht aufgeben, solange man bei einem höchst undemokratischen Schauspiel mitmacht.
Gerade solche Erfahrungen treiben mich an, die Fünf-Prozent-Hürde vor das BVerG zu bringen. Gerade bei der letzten Bundestagswahl wurde meine Stimme für eine Partei, die knapp an der Sperrklausel scheiterte , eklatant missbraucht. Sie trug dazu bei, dass bei der Regierungsbildung jetzt eine Verliererpartei den Ton angeben kann und Deutschland sich zusehends in einem militärischen Aufrüstungsrausch verfängt.
Kann man da noch von demokratischen Wahlen sprechen, wenn nach der letzten Bundestagswahl knapp 7 Millionen Stimmen für kleine Parteien wegen der 5-Prozent-Sperrklausel den großen Parteien zugutekamen? Damit haben knapp 14 % der Wähler/innen das Gegenteil ihres politischen Willens bekommen. Rund mögliche 100 Mandate wurden damit missbraucht, weil diese nicht gewählten Parteien zugesprochen wurden.
Offensichtlich hat das BVerfG wegen der Macht der großen etablierten Parteien noch immer nicht den Mut dazu beizutragen, ein festgefahrenes, höchst undemokratisches Gesetz zu reformieren. Unser Land wird nicht demokratischer, wenn man Demokratiefeinde vorwiegend bei unbequemen Parteien sucht, um so auch von eigenen Defiziten abzulenken.

Über den Autor/die Autorin bzw. den Interviewpartner/die Interviewpartnerin:

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