Die meisten Gebäude aus den 1950er- bis 1980er-Jahren sind noch unsaniert. – Foto: efes/pixabay.com

Bauen & Verkehr

„Wir brauchen eine ernsthafte Sanierungsoffensive!“

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Die meiste Wärme dient zum Beheizen von Gebäuden. Das Gebäudeenergiegesetz setzt dabei Mindeststandards. Und die Bundesförderung für effiziente Gebäude versucht, energieeffizientes Bauen und Sanieren mit Zuschüssen und zinsgünstigen Krediten voranzubringen. Was bewirkt das? Und reicht es?

Interview mit Sebastian Lederer

 

ÖkologiePolitik: Herr Lederer, reichen die aktuellen Mindeststandards des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) für eine wirkliche Wärmewende aus?

Sebastian Lederer: Nein, sie sind nicht ausreichend. Das GEG trägt zwar zusammen mit dem Wärmeplanungsgesetz dazu bei, die Heizsysteme jetzt schon für morgen erneuerbar aufzustellen, aber wir sind viel zu langsam. Die 1,5-Grad-Grenze, das Pariser Klimaabkommen und selbst die unzureichenden Ziele der Bundesregierung werden so nicht zu halten sein. Deswegen muss der Zeitplan nachgeschärft werden. Und für den Neubau sind deutlich ambitioniertere Wärmeeffizienzstandards zu setzen.

Kann die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) nicht-ausreichende Mindeststandards kompensieren?

Kompensieren? Nein. In die richtige Richtung lenken und Anreize schaffen? Ja. Ein Großteil unserer aktuellen CO2-Emissionen entstehen durch den Betrieb unserer Bestandsgebäude: durch Heizen, Kühlen, Warmwasser. Das große Potenzial liegt in der Sanierung des Bestands. Dafür brauchen wir endlich eine ernsthafte Sanierungsoffensive! Im Moment haben wir eine Sanierungsquote von knapp 1 % pro Jahr, laut einer Studie des Wuppertal-Instituts brauchen wir aber eine von 4 %. Dieses Ziel muss politisch deutlich mehr in den Fokus rücken und in anderen Bereichen mitgedacht werden. Die BEG kann im Bestand schlummernde Einsparpotenziale aktivieren. Dafür muss sie weiter ausgebaut und gleichzeitig müssen Hürden abgebaut werden. Der Neubau sollte nicht gefördert werden, sondern ein entsprechender Mindeststandard eingefordert werden. Ein weiterer Hebel: Immer mehr Wohnfläche pro Person macht unsere Einsparbemühungen zunichte. Wir müssen uns also auch überlegen, eine Förderung gleichzeitig an eine suffiziente Wohnraumnutzung zu binden. Dadurch lässt sich gleichzeitig ungenutzte Wohnfläche aktivieren.

Warum sind die Mindeststandards eigentlich so lasch?

Sie wurden seit ihrer Einführung Ende der 1970er-Jahre schon immer wieder verschärft – allerdings nicht bei der letzten Novellierung. Die vielen aktuell kursierenden Scheinargumente und fossiler Lobbyismus verhindern hier leider Mehrheiten für echten notwendigen Klimaschutz. Dabei machen Energiestandards per se das Bauen nicht teurer.

Was muss sich ändern?

Grundsätzlich müssen wir die Betrachtung erweitern und eine klare Priorisierung treffen. Wir müssen anfangen, umzubauen, aufzustocken und zu sanieren, statt abzureißen und neu zu bauen. Die aktuell gültigen Landesbauordnungen fokussieren sich auf den Neubau und stehen gerade bei der Sanierung im Bestand an vielen Stellen im Weg. Wir müssen sie zu „UmBauordnungen“ weiterentwickeln und Abriss wieder genehmigungspflichtig machen. Ein weiterer Punkt: die bereits erwähnte Suffizienz. Und zu guter Letzt müssen wir den Blick auf die Herstellung, den Transport und den Rückbau weiten. Wir müssen also die Graue Energie mit den Grauen Emissionen und die Rohstoffausbeutung mitbetrachten. Dies war im Rahmen der BEG-Neubauförderung mit „kleinen Ökobilanzen“ bereits geplant und ausgearbeitet. Energieberaterinnen und Energieberater wurden darin bereits geschult. Das System könnte für Neubau und Sanierung grundsätzlich angewendet werden.

Herr Lederer, herzlichen Dank für das interessante Gespräch.

 


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