
Quo vadis, Deutschland? – Quo vadis, ÖDP?
25. September 2025
Liebe Freundinnen und Freunde der ÖDP,
seit der letzten Ausgabe unserer ÖP ist einiges geschehen: Wir hatten unseren ersten Bundesparteitag in unserer neuen Amtszeit, der als Online-Parteitag stattgefunden hat. Sinn und Zweck dieses 64. ÖDP Bundesparteitags war vor allem die Behandlung von Anträgen, insbesondere der bei den letzten Parteitagen liegen gebliebenen. Das ist auch bis auf einzelne Anträge gelungen. Da er online durchgeführt wurde, konnten zwar keine Satzungs- und Grundsatzprogrammanträge behandelt werden, dafür aber Anträge zum Bundespolitischen Programm – etwa in Sachen Flucht und Migration, Wirtschaft oder Forstwirtschaft. Sehr kontrovers diskutiert wurden die Anträge zum Thema Mobilfunk und der Antrag auf Einrichtung einer Ombudsstelle; beide Anträge wurden schließlich an den Bundesvorstand bzw. an die Bundesprogrammkommission verwiesen. Nicht mehr behandelt werden konnten unter anderem die Anträge zur bäuerlichen Landwirtschaft, insbesondere zum Verzicht auf gentechnisch veränderte Pflanzen.
Es wurde auf dem Parteitag aber nicht nur über Anträge diskutiert: Ein besonderes Highlight war der Vortrag von Hans Leo Bader, einem Gründungsmitglied der Bewegung „Rechte der Natur“. Er redete zu eben diesem Thema und betonte die Wichtigkeit, für juristische Auseinandersetzungen die Rechte der Natur bzw. einzelner Teile der Natur – Berge, Flüsse, Landschaften, Tiere etc. – gesetzlich zu fixieren. Auf Grundlage verbriefter Rechte könnten Menschen sich für die Natur einsetzen und ihr in Auseinandersetzungen mit Spekulanten, Industrie oder auch Regierungen zu ihrem Recht verhelfen. Vor allem aber müssten wir Menschen laut Hans Leo Bader erkennen, dass wir der Natur gar keine Rechte geben können, weil sie diese bereits besitzt. Und wir sollten endlich anfangen, zu begreifen, dass wir Teil dieser Natur sind. Wenn wir Rechte der Natur einschränken oder gar wegnehmen, schaden wir uns letztendlich selbst: „Wir schneiden uns damit gewissermaßen ins eigene Fleisch!“, wie es Hans Leo Bader auf den Punkt bringt. Die Ihnen nun vorliegende Ausgabe der ÖkologiePolitik widmet sich deshalb mit entsprechenden Beiträgen diesen grundlegenden Fragen. Außerdem haben wir auf dem Parteitag einen Programmantrag zum Thema „Rechte der Natur“ verabschiedet, sodass Forderungen nach deren Berücksichtigung im Grundgesetz (siehe ÖP 200, S. 21) jetzt mit konkreten Formulierungsvorschlägen in Kapitel 1.8 unseres Bundespolitischen Programms stehen (Programm herunterladen).
Auszüge des neuen ProgrammtextesIm bisherigen Rechtsverständnis gibt es bei uns eine starke Trennung zwischen Mensch und Natur. Jenes Weltbild, das den Menschen in den Mittelpunkt stellt, wird als anthropozentrische Weltanschauung bezeichnet. Bislang wird die Natur im Grundgesetz als Rechtsobjekt des staatlichen Umweltschutzes begriffen. In Deutschland existieren über 1.000 Gesetze und Regelungen zum Schutz von Umwelt und Natur. Dennoch nehmen Ausbeutung und Artensterben – sowohl national als auch global – weiter zu. […] Insgesamt dienen diese Gesetze vor allem den Interessen des Menschen, während ein umfassender und dauerhafter Schutz der Umwelt fehlt. […]
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Was die Organisation des Bundesparteitags betrifft, gilt ein besonderer Dank unserem Internetbeauftragten Martin Truckenbrodt, der alles professionell im Griff hatte und mit großer Laufruhe so manche technische Herausforderung meistern konnte. Gleichermaßen danken wir Evelyn Farkas mit dem Team der Bundesgeschäftsstelle, die in gewohnt routinierter Weise den gesamten Bundesparteitag vorbereitet, organisiert und für einen reibungslosen Ablauf gesorgt hat.
Keine Woche später fand die erste Stifterversammlung mit der Gründungsfeier der neuen ÖDP-nahen Maria Opitz-Döllinger Stiftung in München statt. Neben den Reden und Grußworten hielt der Erste Bürgermeister von Markt Hohenwart, Jürgen Haindl, einen bemerkenswerten Gastbeitrag, in dem er sehr treffsicher die gesellschaftliche Situation unseres Landes analysierte: „Unsere Werte haben einen Preis, aber keinen Wert mehr“ – der sei unbekannt. Früher waren die Kirchen ein moralisches Regulatorium, in dem gesellschaftlich richtiges Handeln und Verhalten angemahnt wurden und Fehlverhalten auch angeprangert wurde; das war nicht immer gut, aber die Gesellschaft hatte eine Orientierung. Eine gute Orientierung boten z. B. die 10 Gebote – für Nicht-Gläubige immerhin die Gebote 4–10, denn sie gaben eine gesellschaftlich-moralische Grundlinie vor. Und natürlich mussten und müssen auch sie durch gesellschaftlichen Konsens ins praktische Leben hinein interpretiert werden. Aber sie waren da und gaben Halt und Orientierung. Das ist vorbei. Und dabei fällt auch die Presse als moderne gesellschaftlich-moralische Instanz – gerne als „vierte Gewalt“ neben bzw. gegenüber den anderen drei Gewalten bezeichnet – zusehends aus. Es wird viel diskutiert, aber eine gesamtgesellschaftliche Orientierung ist nicht mehr vorhanden und wird wohl auch nicht mehr gesucht. Und das führt zu den Folgen, die wir jeden Tag in der Zeitung lesen: respektloses Verhalten von Schülern ihren Lehrern gegenüber; Müllflut auf den Straßen; Hassreden im Internet; schwerste Kinder- und Jugendkriminalität, aber auch eine von moralischem Verhalten und schlechtem Gewissen zunehmend befreite Politik, die sich einen Dreck um Wortbrüche und sogar Gesetzesverstöße schert, während das Volk zuschaut – man erwartet es ja auch kaum mehr anders; eine partielle Moral, die oft lediglich an der Oberfläche besteht, wie Gendern und das schulmeisterliche Einklagen von scheinbar korrekter Sprache und Toleranz, bei gleichzeitig intolerantem Verhalten gegenüber Andersdenkenden; Hetzjagden gegensätzlicher Meinungsgruppen; Denunziation als Mittel zur Durchsetzung der eigenen Moral und last but not least: Influencer als neue moralische Instanzen, die damit hemmungslos ihr eigenes Ding drehen.
Unsere Werte müssen wieder zum Thema gemacht werden!
All dies ergibt ein Milieu, in dem dann extreme Strömungen wie die AfD wachsen und gedeihen können. Denn die Sehnsucht nach einer gesellschaftlichen Ordnung und klaren Orientierungslinien ist ja da. Nur die, die sich lautstark als Heilsbringer anbieten, sind leider die Falschen. Und damit wird für mich eines glasklar: Unsere Werte müssen wieder zum Thema gemacht werden! Das Fundament dazu ist und bleibt niedergelegt im Grundsatzprogramm als „Fundament der ÖDP“ mit einem Menschenbild, das auf christlich-humanistischen Werten ruht. Dazu die „Goldene Regel der ÖDP-Politik“. „Auf dieser Grundlage“ – so unser Grundsatzprogramm – müssen „alle unsere Forderungen und Handlungsweisen“ überprüft werden. Diese Werte – und es ist ein zusammenhängendes und ganzheitliches Wertesystem – müssen wir wieder nach außen tragen, als Lösungsgrundlage anbieten für die gesellschaftlichen Probleme in unserer Gesellschaft. Wir müssen zeigen, dass es noch andere Parteien gibt als die derzeitig vor allem in der Öffentlichkeit wahrgenommenen – mit einer ehrlichen und verlässlichen Gesellschaftsgrundlage für ein gutes Leben für alle auf diesem Planeten. Lasst uns das zum Thema machen und dazu einladen, die Grundlagen unserer Gesellschaft wieder neu zu füllen!
Ihr/Euer Bundesvorsitzender
Günther Brendle-Behnisch