
Margot Friedländer – Zeitzeugin und Mensch
15. Mai 2025
Mit großer Anteilnahme wurde die Holocaust-Überlebende und Ehrenbürgerin Margot Friedländer, die vor 6 Tagen im Alter von 103 Jahren verstarb, in Berlin beigesetzt. Ihr gelebtes Engagement als echte Berlinerin ließ uns spüren, was Mut und Menschlichkeit bedeuten.
von Thomas Löb
Am selben Tag, an dem sie noch einen Termin im Schloss Bellevue beim Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gehabt hätte, der ihr das Große Verdienstkreuz verleihen wollte, verabschiedete sich an jenem 9. Mai ein Mensch, der uns alle mit seinem Lebensmut und Engagement über viele Jahre hinweg inspirierte.
Margot Friedländers Leben war von Verlust und zugleich von triumphaler Rückkehr geprägt. Nachdem ihr in der NS-Zeit fast alles geraubt und zerstört worden war – abgesehen von ihrer unerschütterlichen Liebe zur Heimat – fand sie im Alter von 88 Jahren verwitwet den mutigen Weg zurück nach Berlin. Als sie in der Leibnizstraße stand und sich umsah, fielen ihr die Worte: „Das ist mein Berlin.“ Mit diesem Moment der Heimkehr begann für sie eine zweite Blütezeit, in der sie sich entschloss, aktiv gegen das Vergessen anzukämpfen und das Licht der Erinnerung leuchten zu lassen.
Ihre Rückkehr aus den USA war weit mehr als nostalgische Sehnsucht – sie war ein bewusster Akt der Verantwortung. Margot Friedländer erinnerte sich liebevoll an jene, die in dunkelsten Zeiten nicht vom Leid gelähmt wurden – Menschen, die ihr bereits als kleines Kind halfen, obwohl sie dafür ihr eigenes Leben riskiert hätten. „Sie haben nicht weggesehen, obwohl es sie das Leben hätte kosten können“, sagte sie einst.
Ein Film über ihre Rückreise, „Don’t Call It Heimweh“, eröffnete 2005 das Berliner Jüdische Filmfestival und brachte ihre bewegende Geschichte in die Öffentlichkeit, auch wenn manche alte Freunde in New York zunächst unverständlich reagierten.
Margot Friedländer hat der Stadt Berlin wahre Ehre gemacht und gezeigt, was in einer echten Berlinerin steckt. Ihre positive Einstellung und ihr fester Glaube an das Gute ließen ihre Erinnerungen zu einem Schatz werden, der weit über persönliche Erlebnisse hinausstrahlte. Sie gab niemals klein bei, ließ sich nie schrecken, erfand sich neu und kämpfte die restlichen Jahre ihres Lebens dafür, die Welt ein Stück besser zu machen.
In ihren Vorträgen war Margot Friedländer mehr als nur eine Chronistin der Geschichte. Mit beeindruckendem Mut, feinem Humor und einer Prise leiser Ironie verwandelte sie dunkle Kapitel in lehrreiche Lektionen für die Zukunft. Ihr bekannter Appell „Seid Menschen!“ war weit mehr als ein Slogan – er rief dazu auf, in Zeiten der Not und des Hasses stets Würde, Mitgefühl und Menschlichkeit zu bewahren. Ihre Worte berührten die Herzen und stärkten den Mut, sich für Toleranz und Gerechtigkeit einzusetzen.
Margot Friedländers Geschichte lehrt uns, dass selbst in den dunkelsten Stunden die Rückkehr zu den eigenen Wurzeln und Werten den Weg in eine hoffnungsvolle Zukunft ebnen kann. Ihr Lebenswerk inspiriert uns, immer an das Gute zu glauben und uns mit Herz und Engagement für eine gerechtere Welt einzusetzen. Bis zuletzt blieb sie eine unerschütterliche Stimme gegen das Vergessen und den Hass.
Ob in Schulen, in Podcasts oder im direkten Gespräch – ihre authentischen und bewegenden Erzählungen gaben Einblicke in ihr persönliches Schicksal und zeigten, wie menschliche Stärke und Widerstandskraft in den schwierigsten Zeiten entstehen können. Ihr Einsatz, der ihr unzählige Ehrungen und große Sympathien einbrachte, macht sie zum strahlenden Vorbild für alle Generationen.
Für mich war Margot Friedländer nicht nur eine lebendige Zeitzeugin, sondern auch eine persönliche Lehrerin. Ihre Fähigkeit, schwere Erinnerungen in einen Appell an Herz und Verstand zu verwandeln, hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, die Geschichte zu bewahren und zugleich die Hoffnung auf eine humanere Welt nie aufzugeben. Besonders prägte mich ihr leiser, aber bestimmter Ton, der selbst in den schmerzhaftesten Erzählungen die Erinnerung an Freude und Menschlichkeit bewahrte.
Margot Friedländers Lebensweg lehrt uns, dass selbst in den dunkelsten Stunden die Rückkehr zu den eigenen Wurzeln und Werten den Weg in ein hoffnungsvolleres Morgen ebnen kann. Mit ihrer unvergleichlichen Herzlichkeit, ihrem unermüdlichen Einsatz und dem leisen, aber bestimmten Klang ihres Mottos „Nie wieder!“ bleibt sie in unseren Herzen als ewiger Funke der Hoffnung und Menschlichkeit. Ihr Erbe lebt in jedem Akt der Güte, in jedem Gespräch und in jeder Erinnerung – ein liebevoller Ruf, der uns ein Leben lang begleiten wird.